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Soziale Netzwerke

Internetseite aus Österreich deckt Fake-Nachrichten auf

Gina Kutkat
  • Do, 28. Januar 2016, 16:34 Uhr
    Computer & Medien

Die Website Mimikama.at aus Wien geht Falschmeldungen aus dem Internet nach – und sorgt aktuell durch Recherchen zu dem angeblich toten Flüchtling aus Berlin für Aufsehen.

Der Arbeitsplatz des Mimikama-Teams ist Facebook.  | Foto: dpa-tmn
Der Arbeitsplatz des Mimikama-Teams ist Facebook. Foto: dpa-tmn
Manchmal ist es wichtig, Ergebnisse abzuwarten und nicht gleich alles zu verbreiten, was auf Facebook geteilt wird. Das zeigt – ganz aktuell – die Geschichte des toten Flüchtlings aus Berlin. Die Nachricht über dessen Tod als Folge der schlechten Versorgung machte bei Facebook und auf diversen Medienseiten die Runde. Am Abend stellte sich heraus: Es gibt gar keinen Toten.

Nachzulesen ist die Geschichte des Gerüchts auf der österreichischen Internetseite mimikama.at. Ein durch Spenden und Anzeigen finanzierter, gemeinnütziger Verein aus Wien, der Falschmeldungen im Internet nachgeht, deren Ursprung aufdeckt und recherchiert, was dahinter steckt.

Im Falle des angeblich erfrorenen Flüchtling ist auf mimikama.at zu lesen: "Kein toter Flüchtling am Lageso!". Darunter wird minutiös aufgezeichnet, wie die Mitarbeiter dem Fall nachgegangen sind, der durch einen Facebook-Post ausgelöst wurde. Schon gegen 11. 45 Uhr reiften bei den Mitarbeitern die Zweifel an der Echtheit der Meldung heran. Erst um 20.33 Uhr löste dann die Berliner BZ die Sache auf.

Mimikama heißt "Gefällt mir" auf Suaheli

"Dieser Vorfall ist unheimlich wichtig, weil er zeigt, wie anfällig gerade alle sind. Nicht nur das normale Volk, sonder auch die Medien. Pressetechnisch war der Tod ja schon bestätigt", sagt Andre Wolf, einer von zwei hauptamtlichen Mitarbeitern von Mimikama. Mimikama heißt "Gefällt mir" auf Suaheli – ein Hinweis darauf, dass sich die Seite auf Inhalte bei Facebook konzentriert. Nutzer können Inhalte, die ihnen komisch vorkommen, an die Seite schicken. Das können Fotos, Videos oder Statusmeldungen sein.

Vor kurzem kursierte eine Collage im Netz, auf dem drei Männer zu sehen waren: Einer in Armeekleidung, einer in Zivil und einer, der sich mit Hilfe eines Schildes für die Übergriffe in Köln entschuldigt. "Ist das ein und derselbe?", wollten die User wissen. Die Mitarbeiter von Mimikama machten sich an die Recherche, luden die Bilder bei Google hoch, suchten es auf anderen Seiten und fanden heraus, dass keine Verbindung zwischen den Männern auf den Bildern herzustellen war. Fazit: "Für uns stellen diese Fotos im Moment nicht mehr als nicht belegbare Behauptungen und Spekulationen dar."

Pro Tag gibt es Anfragen im dreistelligen Bereich

Ihre Ergebnisse veröffentlichen die Mimikama-Faktenchecker auf ihrer Facebook-Seite "Zuerst denken, dann klicken", die knapp 615.000 Fans hat. Pro Tag erreichen die Verantwortlichen dort Anfragen im dreistelligen Bereich, die vom kleinen Team bearbeitet werden. Neben Andre Wolf und Geschäftsführer Tom Wannemacher helfen 15 Ehrenamtliche mit. Außerdem gibt es noch eine riesige Community: "Etwa 10.000 Leute unterstützen uns dort, vor allem bei technischen Anfragen", so Wolf.

Die Anfragen werden quantitativ ausgewählt – je mehr Nutzer nach einer Sache fragen, desto größer das Interesse. Andre Wolf sieht darin einen Vorteil für Mimikama gegenüber den klassischen Printmedien: "Wir sehen schon vorher, was wichtig ist." Für ihn betreibt Mimikama eine Art von Journalismus, den es so noch nie gab.
"Wir sind an einem Punkt in Deutschland angelangt, an dem der Polizei nicht mehr geglaubt wird."
Das Mimikama-Team arbeitet eng mit Behörden, Pressestellen und der Polizei zusammen: "Wir vertrauen der Polizei zu 100 Prozent und respektieren, wenn sie aufgrund interner Linien gewisse Informationen nicht raugeben dürfen." Dass gerade aktuell das Stimmungsbild in den sozialen Netzwerken ein anderes ist, findet er beunruhigend: "Wir sind an einem Punkt in Deutschland angelangt, an dem der Polizei nicht mehr geglaubt wird."

Mittlerweile sind die meisten Fälschungen für das Mimikama-Team schnell erkennbar: "Typisch ist, wenn Begriffe so dramatisch aufgebaut sind, dass sie schon fast unglaubwürdig klingen." Auch das Verwenden von vielen Ausrufezeichen sei ein Indiz – oder eine ungenaue Quellenangabe. "Dann hat die Tochter des Bruders des Arbeitskollegen der Mutter irgendetwas beobachtet", so Wolf. Stellt sich dann eine Behauptung als unwahr raus, könne sich der Nachrichtenverbreiter besser aus der Affäre ziehen. Auch im Berliner Fall hatte eine Frau eine Statusmeldung verbreitet, in der sie nach eigenen Angaben den Inhalt einer SMS wiedergab, die sie vom Flüchtlingshelfer Dirk V. empfing.

Der Swiffer-Fake geistert seit Jahren herum

Das Themenspektrum auf Mimikama.at ist groß: Neben Falschmeldungen werden Abofallen, Spam, Fake-Gewinnspiele und schädliche Links bearbeitet. Einige Gerüchte geistern dabei seit Jahren im Netz herum, wie zum Beispiel der Swiffer-Fake. "Da wird behauptet, dass Tiere an den Härchen der Swiffertücher sterben können", sagt Wolf. Aktuell macht eine Meldung über HIV-infizierte Orangen die Runde. Wer so etwas verbreitet? Oftmals spiele Angst eine Rolle – oder Unwissenheit.

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