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Kostenfallen

Preise bei Datingportalen ähneln oft einem Blind Date

  • Thomas Magenheim

  • Mi, 15. August 2018, 08:58 Uhr
    Liebe & Familie

Millionen Deutsche tun es. Online-Dating steht weit oben in der Beliebtheitsskala von Kontaktsuchenden. Nun gibt eine Studie Einblick in die Praktiken der Anbieter.

Die Partnersuche im Internet ist in Deutschland sehr beliebt.  | Foto: adobe.com
Die Partnersuche im Internet ist in Deutschland sehr beliebt. Foto: adobe.com
Das Marktwächterteam Digitale Welt der Verbraucherzentrale Bundesverband (Vzbv) hat die diversen Anbieter in Dutzenden Verbraucherinterviews geprüft – vor allem die Gebühren sind demnach oft undurchsichtig.

"Es ist ein großes Ärgernis, dass Verbraucher beim Onlinedating von hohen Kosten überrascht werden", kritisiert die Chefjuristin der in der Sache federführenden Verbraucherzentrale Bayern, Tatjana Halm. Kostenfallen beim Onlinedating sind nach der Marktwächter-Studie keine Ausnahme, sondern die Regel.

25 von 26 getesteten Portalen geben ohne Registrierung keinen Einblick in die Kosten für eine Mitgliedschaft.

Kosten oft nicht abschätzbar

Man muss also bereits persönliche Daten preisgeben, um zu erfahren, was die Sache kostet – wenn das überhaupt klar wird. Denn setzt ein Portal künstliche Coin-Währung ein, sind die Kosten oft nicht mehr abschätzbar. Richtig zur Kasse gebeten wird, wer nach kurzer Mitgliedschaft den Vertrag widerruft. Dann dürfen Portalbetreiber etwas verlangen, das juristisch Wertersatz genannt wird, das Betroffene aber oft als Wucher empfinden.

Kurzzeitmitglied muss zahlen

Der Berater einer Verbraucherzentrale schildert die Erfahrungen eines Kunden von Deutschlands größter Partnervermittlung Parship. "Er hat nach ein paar Stunden gemerkt, dass es nichts für ihn ist, hat daher Widerruf erklärt und war geschockt, was er dafür zahlen musste." Es waren 373,61 Euro. Ein anderer Verbraucher hatte sich bei Parship um 16.22 Uhr angemeldet und um 16.52 Uhr wieder abgemeldet. Der Widerruf wurde ihm bestätigt – nebst Rechnung über 223,39 Euro Wertersatz. Der Preis für eine zwölfmonatige Premium-Mitgliedschaft hätte zu diesem Zeitpunkt 333,85 Euro betragen.

Parship findet das rechtlich und auch sonst völlig in Ordnung. Tatsächlich hat der Bundesgerichtshof kürzlich zugunsten der Datingportale entschieden. Ein Wertersatz werde abhängig von Kontakten berechnet und nicht zeitanteilig, was auch gerichtlich erlaubt sei, betont eine Sprecherin. Wie viele solcher Kontakte binnen einer halben Stunde anfallen können, will sie nicht abschätzen. Aus Datenschutzgründen könne man keine einzelnen Summen für Wertersatz oder konkrete Fälle kommentieren, so die Sprecherin.

Satzungetüm in den Geschäftsbedingungen

Hätte ein Kurzzeitmitglied in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nach Hinweisen auf die Höhe des Wertersatzes gesucht, hätte es folgendes Satzungetüm gefunden: "Haben Sie verlangt, dass die Dienstleistung während der Widerrufsfrist beginnen soll, so haben Sie uns einen angemessenen Betrag zu zahlen, der dem Anteil der bis zu dem Zeitpunkt, zu dem Sie uns von der Ausübung des Widerrufrechts hinsichtlich dieses Vertrages unterrichten, bereits erbrachten Dienstleistungen im Vergleich zum Gesamtumfang der im Vertrag vorgesehenen Dienstleistung entspricht", heißt es in den Geschäftsbedingungen.

Wer fristgerecht widerruft, muss also einen "angemessenen Betrag" zahlen, wobei offenbleibt, was angemessen ist. Hierzu verweist eine Parship-Sprecherin auf eine Webseite mit häufigen Fragen und Antworten. Dort findet sich unter dem Stichwort Wertersatz folgende Erklärung. "Es werden maximal drei Viertel ihres Produktpreises berechnet – ohne Aufschläge für abweichende Zahlungsweisen."

Coins werden willkürlich abgebucht

Noch komplizierter wird es, wenn Onlineportale mit Coin-Modellen arbeiten. Dabei erfahren Verbraucher zwar noch, wie viele Euros ein Coin-Paket kostet, aber nicht mehr, wie viele Coins etwa für einen Livecam-Chat berechnet werden. "Coins werden willkürlich abgebucht, der Verbraucher ist dem Anbieter vollkommen ausgeliefert", so Halm. Ihre Kollegen haben selbst getestet. Beim selben Portal wurden für eine identische Dienstleistung bei mehreren Anläufen jeweils verschiedene Coin-Beträge abgebucht. "Wir haben keine Erklärung außer Abzocke", sagt ein Tester.

Ein verbreiteter Fallstrick ist das für Verbraucher oft überraschende Umwandeln sogenannter Probeabos in zahlungspflichtige Mitgliedschaften. Das vollzieht sich nach Angaben von Verbraucherschützern automatisch ohne ausreichende Vorab-Kennzeichnung. Probeabos würden als Schnupperabos gegen Einmalzahlung beworben. Selbst Internetprofis hätten aber Probleme, auf den Webseiten von Datingportalen den Passus zu finden, der eine fristgerechte Kündigung des Probeabos verlangt, um eine automatische Umwandlung zu verhindern, schildert eine Verbraucherschützerin ihre Erfahrungen. Kunden finanziell im Dunkeln tappen zu lassen, sei oft Geschäftsprinzip.



Vieles spielt sich dabei in einer juristischen Grauzone ab. Speziell bei automatischer Mitgliedschaft nach einem Probeabo und den Coin-Modellen könnte der Bogen aber überspannt werden. "Wir sehen diese Praktiken kritisch und werden möglicherweise einzelne Anbieter abmahnen", sagt Verbraucherschützerin Halm. Beim Thema Wertersatz hingegen haben im vergangenen Jahr das Hanseatische Oberlandesgericht und dieses Jahr der Bundesgerichtshof zugunsten der Datingportale geurteilt. Diese Praxis ist also rechtens.
Die Kostenfallen

Die Preisgestaltung von Datingportalen ist nach Meinung von Verbraucherschützern oft intransparent. Branchenüblich sind demnach Abos zwischen sechs Monaten und zwei Jahren, die bei den in einer Verbraucherstudie untersuchten Plattformen auf ein Jahr gerechnet mehr als 1000 Euro kosten können. Bei Kontakten oder einzelnen Dienstleistungen werden Extrakosten fällig. Eine weitere Falle, in die Verbraucher leicht tappen können, sind Probemitgliedschaften, die oft nur ein oder zwei Euro kosten, aber rechtzeitig gekündigt werden müssen, weil sie sich sonst automatisch in Premium-Mitgliedschaften umwandeln. Rechtzeitig kündigen heißt binnen zwei Wochen – vorausgesetzt, man findet die Internetadresse, über die ein Portal eine solche Kündigung akzeptiert, was keine Selbstverständlichkeit ist.

Ressort: Liebe & Familie

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mi, 15. August 2018: PDF-Version herunterladen

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