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Flugzeugabsturz in Kolumbien

Die Tragödie um Chapecoense

Tobias Käufer
  • Mi, 30. November 2016
    Panorama

Bei Flugzeugabsturz in Kolumbien sterben 76 Menschen – darunter fast die ganze Fußballmannschaft eines brasilianischen Erstligisten.

MEDELLIN. Beim Absturz eines Flugzeugs mit der brasilianischen Fußballmannschaft Chapecoense an Bord sind in Kolumbien 76 Menschen getötet worden. Fünf Insassen überlebten, wie die Polizei am Dienstag mitteilte. Nach den Worten des Leiters der Polizei Medellin, José Acevedo, wurden aus dem Wrack zunächst sechs Menschen lebend geborgen, eine Person starb auf dem Weg ins Krankenhaus.

Ganz leise singen die Fans das Lied, das jeder brasilianische Fußball Fan so verinnerlicht hat: "Ich bin Brasilianer, voller Stolz", diesmal fügen sie noch den Namen ihres Klubs hinzu: Chapecoense. Normalerweise brüllen sie diesen Song, doch die Trauer schnürt den meisten Anhängern die Kehle zu. Die Szenen, die sich wenige Stunden nach dem Absturz eines Charterfliegers auf dem Landeanflug bei der kolumbianischen Metropole Medellin abspielen, sind gespenstisch. Die Fans trauern um ihre Mannschaft, deren Flugzeug rund sechs Flugstunden entfernt in den Bergen bei Medellin zerschellte. Die Chapecoense-Fans treffen sich vor dem Klubhaus und in der Nähe ihres Heimspielstadions Conda.

Hier in Chapecó, einer Provinzstadt in der Region Oeste Catarinense, im Westen des Bundesstaats Santa Catarina, hatte man sich eigentlich auf den größten Tag der Vereinsgeschichte gefreut: Erstmals hat der kleine Klub mit den weißgrünen Farben das Finale eines internationalen Klubwettbewerbs erreicht. Chapecoense hat nicht die Strahlkraft wie die großen Klubs Flamengo aus Rio de Janeiro oder Corinthians aus Sao Paulo, dafür eine kleine, aber treue Fangemeinde.

Gastgeber wäre Atletico Nacional aus Medellin gewesen. Die aktuell beste Klubmannschaft des Kontinents, Gewinner der südamerikanischen Champions League, wollte ebenfalls Geschichte schreiben. Mit Trainer Reinaldo Rueda, der drei Jahre lang an der Sporthochschule in Köln studierte, wollten sie auch das zweite südamerikanische Klubfinale innerhalb eines Jahres gewinnen. Und in zwei Wochen bei der Klub-WM in Japan Real Madrid vom globalen Thron stoßen. "Ich bin am Boden zerstört. Meine Gedanken und Gebete sind bei den Angehörigen der Spieler von Chapecoense", sagt Trainer Rueda im Gespräch mit dieser Zeitung. "Alles andere ist zweitrangig."

Auch Paulo Rink ist entsetzt. "Ich habe viele Spieler persönlich gekannt", sagt der deutsche Nationalspieler, der in Brasilien geboren ist. Er war Mitte der 1990er Jahre Torjäger des Klubs mit den für Europäer so unaussprechlichen Namen. "Ein kleiner, aber sehr herzlicher Klub, der mir die Chance gegeben hat, mich zu beweisen." Von Chapecoense aus ging es dann nach Leverkusen. Rink ist inzwischen Kommunalpolitiker in seiner Heimatstadt Curitiba. In WM-Stadion von Curitiba sollte das Finalrückspiel stattfinden, weil die Arena in Chapecó zu klein ist und nicht dem Standard für Topspiele entspricht. "Ich stand mit dem Klubpräsidenten in Kontakt und habe geholfen, alles vorzubereiten. Ich weiß nicht, wie es mit Chapecoense weitergehen soll. Die Mannschaft ist ja praktisch ausgelöscht, wenn sich das alles bestätigt."

Einige Spieler haben das Unglück überlebt, Linksverteidiger Alan Ruschel und Torhüter Jackson Follmann sollen unter den Überlebenden sein. Auch eine Stewardess mit deutschen Wurzeln. Doch verlässliche Nachrichten aus der schwer zugänglichen Region gibt es kaum. Der Flughafen von Rionegro liegt 45 Minuten außerhalb von Medellin inmitten der Anden. Airbus ließ hier einst seinen A 380 testen, weil die Techniker wissen wollten, wie der Riesenflieger auf Starts und Landungen in der Höhe reagiert. Der Flughafen ist auch berüchtigt wegen des wechselnden Wetters: Gewitter und Nebel machen es den Piloten schwer.

Absturzursache des bolivianischen Fliegers vom Typ RJ85, der immer wieder mal von südamerikanischen Fußballmannschaften gechartert wurde, sollen elektronische Probleme gewesen sein.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mi, 30. November 2016: PDF-Version herunterladen

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