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Berlin

Gericht untersagt Zucht von Nacktkatzen

  • AFP

  • Fr, 25. September 2015, 00:00 Uhr
    Panorama

Die Richter sprechen von "Qualzucht": Ein Berliner Gericht hat entschieden, dass die Zucht sogenannter Nacktkatzen verboten ist. Ein Zuchtkater muss nun zwangskastriert werden.

Schön oder nicht? Ein Gericht entschie...n nicht mehr gezüchtet werden dürfen.   | Foto: dpa
Schön oder nicht? Ein Gericht entschied, dass Nackkatzen nicht mehr gezüchtet werden dürfen. Foto: dpa
Ob sie schön sind oder nicht, ist sicher Geschmacksfrage. Die Frage, ob sie leiden hingegen nicht. Nacktkatzen sind nicht nur ein ungewöhnlicher Anblick, sie haben auch einen entscheidenden Nachteil im Vergleich zu ihren haarigen Artgenossen: die felllosen Stubentiger haben keine Tasthaare. Ein Berliner Gericht entschied nun, dass eine Züchterin die skurrilen Katzen nicht mehr züchten darf – und dass Kater Willi bald seine Männlichkeit verlieren muss.

Qualzucht nennt man es, wenn ein Tier derart denaturiert gezüchtet wird, dass ihm wichtige arttypische Eigenschaften verloren gehen. Auch Kater Willi ist von einer Qualzucht betroffen und muss deshalb zwangskastriert werden. Willi gehört zur Rasse der Canadian-Sphinx-Katzen, an deren Anblick sich die Geister scheiden. Die mageren, haarlosen Tiere geben eine Eindruck davon, wie dünn Katzen ohne ihr Fell tatsächlich sind. Nicht nach Jedermanns Geschmack sind auch die riesigen Augen und die schrumpelige Haut. Doch Richter Christian Oestmann machte in der Verhandlung vor dem Berliner Verwaltungsgericht deutlich: "Es geht nicht darum, ob man Nacktkatzen schön findet."

Tatsächlich ging es darum, ob das Veterinäramt des Bezirks Spandau im Recht war, als es im vergangenen Sommer der Klägerin Jacqueline L. die Zucht der Katzen untersagte und Willis Kastrierung anordnete. Die Behörde berief sich dabei auf den sogenannten Tierschutzparagraphen 11b und stufte das Kleinunternehmen der 41-jährigen L. als Qualzucht ein. Weil L. das ganz anders sieht, landete der Streit vor Gericht.

500 bis 700 Euro pro Nacktkatze

500 bis 700 Euro verdient die gelernte Laborassistentin nach eigenen Angaben an jeder Katze, die Willi mit seinen Gespielinnen Enola, Rumba und Sadira zeugt. Doch für L. steht mehr als eine Einnahmequelle auf dem Spiel. Sie pflegt eine erkennbare Leidenschaft für die skurril aussehenden aber als besonders verschmust geltenden Stubentiger. So konnte die Klägerin nicht verstehen, was das Veterinäramt ihr vorwarf: Dass jeder weitere Wurf leidende Tiere hervorbringe.

Paragraph 11b besagt unter anderem: Es ist verboten, "Wirbeltiere zu züchten, wenn ihnen Körperteile für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder diese untauglich sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten".

Im Fall der Canadian-Sphinx ist dieses Körperteil das mit dem Fell weggezüchtete Tasthaar. Der einbestellte tierärztliche Gutachter Thomas Göbel hatte alle vier Katzen der Klägerin untersucht. Ergebnis: Sie wiesen gar keine oder nur verkümmerte Tasthaare auf. Diese sogenannten Vibrisse seien aber ein wichtiges Sinnesorgan, sagte Göbel. Sie dienen diesen Tieren sowohl zur Orientierung als auch zur Kommunikation. "Das Fehlen eines Sinnesorgans betrachte ich als Schaden."

Inwieweit die Tiere tatsächlich leiden, blieb indes unklar. Wissenschaftlich fundierte Studien hierzu gibt es nicht. Doch das Gericht schloss sich der Einschätzung des Tierarztes an und wies die Klage ab. Wer also Nacktkatzen ohne Tasthaare züchtet, betreibt somit Qualzucht, und das könnte neben den Canadian-Sphinx auch andere Nacktkatzenarten betreffen, die ebenfalls keine oder nur verkümmerte Vibrissen aufweisen.

Mittelfristig könnten aber auch andere Haustiere, zum Beispiel unter Atemnot leidende Mops-Hunde, als Produkt einer Qualzucht eingestuft werden. Wegen dieser "grundsätzlichen Bedeutung" des Urteils lies Richter Christian Oestmann eine Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zu. Jacqueline L. hatte bereits im Vorfeld angekündigt, den Weg durch die Instanzen auf jeden Fall gehen zu wollen.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 25. September 2015: PDF-Version herunterladen

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