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Minderjähriger Soldat hatte Angst

Bärbel Krauß

Von

Mi, 15. Februar 2017

Deutschland

Der Pfullendorfer Bundeswehrskandal wurde durch einen jungen Rekruten öffentlich.

Die Bundeswehr ist nach dem Skandal in Pfullendorf in der Kritik.   | Foto: dpa
Die Bundeswehr ist nach dem Skandal in Pfullendorf in der Kritik. Foto: dpa
BERLIN. Nur dank der Initiative eines minderjährigen Soldaten sind die Ermittlungen wegen entwürdigender Aufnahmerituale am Pfullendorfer Ausbildungszentrum Spezielle Operationen in Gang gekommen. Der Betroffene meldete dem Zugführer am 12. Januar gegen 20 Uhr seine Angst, dass an ihm ein solches Ritual vorgenommen werden solle. Der Vorgesetzte brachte den jungen Soldaten auf seine Stube und bat den Wachhabenden, auf ihn zu achten. So erst kam laut einem vertraulichen Bericht des Verteidigungsministeriums die Aufklärung ins Rollen.

Andere Kameraden hatten weniger Glück: Laut dem Bericht kam es am 12. Januar im "Bereich Unterstützung" der Pfullendorfer Kaserne genau zu solchen Ritualen, ebenso im Dezember und Oktober 2016. "Dabei seien Soldaten aus ihren Stuben geholt, zumindest in einem Fall mit Klebeband fixiert worden, hätten einen Stiefelbeutel über den Kopf gestülpt bekommen und seien im Waschraum auf Stühlen sitzend mit kaltem Wasser aus einem Schlauch abgespritzt worden." So stellt das Ministerium die Sachlage in seinem Abschlussbericht dar, dieser liegt der BZ vor.

Über die Verstöße gegen Gesetze und den Verhaltenskodex der Inneren Führung in Pfullendorf, die Ende Januar bekannt geworden sind, berät der Verteidigungsausschuss des Bundestags am Mittwoch. Dem Vernehmen nach stehen nicht nur Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), sondern auch Generalinspekteur Volker Wieker, Wehrbeauftragter Hans-Peter Bartels und der Kommandeur des Heeres-Ausbildungskommandos in Leipzig, Generalmajor Walter Spindler, für Fragen zur Verfügung.

Bei den Fällen von Pfullendorf geht es um drei Themen: entwürdigende Aufnahmespielchen, herabwürdigende Praktiken bei der Sanitäterausbildung und Mobbing. Ausdrücklich wird bemängelt, dass die "offensichtlich schweren Verstöße" nicht umgehend auf dem Dienstweg gemeldet wurden. Die Verfehlungen in Pfullendorf haben Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und Disziplinarverfahren nach sich gezogen. Sieben Soldaten waren so weit in die Vorwürfe verwickelt, dass ihnen die Ausübung des Dienstes und das Tragen der Uniform bereits untersagt wurden. Fünf wurden entlassen, beim sechsten ist die Entlassung in der Prüfung.

Dass Minderjährige von dem Skandal betroffen sein könnten, verleiht dem Fall zusätzliche Brisanz. Mit derzeit 1576 Soldaten, die nicht volljährig sind, hat die Bundeswehr einen neuen Höchststand erreicht. Ihnen gegenüber hat die Armee eine besondere Fürsorgepflicht. Wie viele Soldaten Misshandlungen über sich ergehen lassen mussten, geht aus dem Papier nicht hervor.

Bei den fragwürdigenden und herabwürdigenden Praktiken bei der Sanitäterausbildung geht es ums Abtasten der nackten Brust, des unbekleideten Genitals, Öffnen der Gesäßbacken, Tamponierung des Afters und entwürdigende Bilddarstellungen der Ausbildungsinhalte. Zudem wurden den Lehrgangsteilnehmern fragwürdige Einverständniserklärungen abverlangt, sich als Übungs- und Anschauungsobjekt zur Verfügung zu stellen. Die Offizierin, die das als frauenfeindlich kritisiert und gemeldet hatte und deswegen gemobbt wurde, sei aufgefordert worden, zur Aufnahme ins Ausbilderteam an einer Poledance-Stange zu tanzen. Auf ihre Meldung hin wurde die Stange am Tag danach entfernt.

Mittlerweile gab es laut dem Bericht 300 Anhörungen und Vernehmungen. Die disziplinarischen Ermittlungen sind laut Verteidigungsministerium noch nicht abgeschlossen. Zusammenfassend stellt der Bericht "gravierende Defizite in Führung, Ausbildung, Erziehung sowie Dienstaufsicht" fest.

Ressort: Deutschland

  • Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der BZ vom Mi, 15. Februar 2017:
  • Zeitungsartikel im Zeitungslayout: PDF-Version herunterladen

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