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"Der Fels lebt"

  • Mila Sauer, Klasse 9a & Kreisgymnasiums Bad Krozingen

  • Mo, 25. April 2016, 10:16 Uhr
    Schülertexte

Auf einem Gletscher übernachten zu müssen oder über einen Abgrund zu balancieren ist nichts für schwache Nerven. Aber warum es sich trotzdem lohnt, die vielseitigen Gefahren des Bergsteigens auf sich zu nehmen, und wie man sich ideal darauf vorbereiten kann, hat Mila Sauer, Klasse 9a des Kreisgymnasiums Bad Krozingen, den erfahrenen Bergsteiger und Tourenführer Gerhard Schmid vom Deutschen Alpenverein (DAV) Spaichingen gefragt.

Auf einem Gletscher übernachten zu müssen oder über einen Abgrund zu balancieren ist nichts für schwache Nerven. Aber warum es sich trotzdem lohnt, die vielseitigen Gefahren des Bergsteigens auf sich zu nehmen, und wie man sich ideal darauf vorbereiten kann, hat Mila Sauer, Klasse 9a des Kreisgymnasiums Bad Krozingen, den erfahrenen Bergsteiger und Tourenführer Gerhard Schmid vom Deutschen Alpenverein (DAV) Spaichingen gefragt.

Zischup: Was macht das Bergsteigen in der Natur eigentlich aus?

Schmid: Im Gegensatz zum Klettern in der Natur ist Klettern in der Halle relativ risikofrei. Die Schwierigkeiten sind anhand der geschraubten Griffe vorgegeben und das Wetter spielt keine Rolle. Ganz anders ist es in den Bergen. Das Klettern in der Natur spiegelt einen wunderbaren Mix aus vielfältigen Umgebungsanforderungen und einem im Detail unberechenbaren Wetter wieder. Denn der Fels ist keine tote Materie, er lebt. Er lebt durch seine Veränderung, ist mal warm, mal kalt, mal spröde, mal fest. Er bietet sich an und will jedes Mal aufs Neue entdeckt werden. Die spontane Veränderung der Natur birgt damit immer ein Abenteuer in den Bergen, was aber auch ein gewisses Gefahrenpotenzial mit sich bringt.

Zischup:
Was sind denn allgemein die alpinen Gefahren in den Bergen?

Schmid: Naturgewalten, Steinschlag, Witterungsumschläge und Selbstüberschätzung sind Bedrohungen. Dennoch sollten Berge mit ihren Gefahren nicht als Feind angesehen werden. Es geht darum, mit kritischen Situationen umgehen zu können und genügend Vorbereitung im Vorhinein getroffen zu haben.

Zischup: Was sind die nötigen Vorbereitungen und Voraussetzungen, um einen Berg erfolgreich zu erklimmen?
Schmid: Sämtliche alpinen Grundlagen, wie ein handwerkliches Wissen und Können, die körperliche Grundkonstitution und eine vollständige Ausrüstung sind, angepasst an Charakter und Anforderung der Tour, notwendig, da unvorhergesehene Zwischenfälle jederzeit möglich sind. Wichtig ist, sich selber einschätzen zu können. Denn es gibt in den Bergen keine definierten Regeln wie im Fußball. Der Berg stellt die Regeln. Wer diese missachtet, Warnberichte ignoriert und sich nicht genügend vorbereitet hat, erleidet gesundheitliche Schäden oder im schlimmsten Fall den Tod. Eine wohlüberlegte Tourenvorbereitung ist unabdingbar.

Zischup: Und dennoch gibt es Situationen, die überraschend kommen und wo man Angst hat. Ist ihnen das schon mal passiert?

Schmid: Ja, das ist dieses herausfordernde Risikopotential, was man eingeht, sobald man in den alpinen Bereich kommt. Zum Beispiel musste ich schon oftmals aufgrund des zu knappen Zeitlimits auf einem Gletscher übernachten, in so einer Situation geht es ums Überleben. Die Angst gehört beim Bergsteigen dazu. Sie ist ein Parameter, der rechtzeitig Warnsignale sendet. Sie schärft die Anspannung und die Sinne. Und das wesentliche Ziel ist es dann, sich auf seine Erfahrungswerte zu besinnen, die Angst zu überwinden, damit sie in Euphorie und Freude umschlagen kann.

Zischup: Das Ziel des Bergsteigens ist also nicht, die Spitze zu erreichen, sondern auch die Angst zu überwinden?

Schmid: Ziele hat man immer, sobald man in die Berge geht. Ob es das Ziel ist, seine Angst zu überwinden, den Gipfel zu erreichen, eine schwierige Passage zu meistern oder seine Sorgen für eine Zeit lang zu vergessen, muss jeder für sich entscheiden. Das Ziel darf aber nicht unbedingt der Gipfel sein. Aus Respekt vor dem Berg kann es auch mal nötig sein, umzukehren. Grundsätzlich endet eine Tour immer erst dann, wenn man wieder zurück im Tal ist. Sein Ziel erreicht zu haben gehört zu den schönsten Momenten eines Bergsteigers während einer Tour. Besondere Momente sind auch frühmorgens bei Tourenbeginn die Sonne aufgehen zu sehen und eben das Bergglück mit Kameraden teilen zu dürfen.

Zischup: Was raten Sie dann Anfängern?

Schmid: Eine solide Ausbildung mit Schwerpunkt in Richtung der verschiedenen Bergsportarten zu absolvieren. Das Zusammensein am Berg hat den Begriff Bergkamerad geprägt. In einer verschworenen Kameradengruppe können dann auch zweifelhafte Situationen gemeistert werden. Bergsteigen ist auch eine Möglichkeit zur Alltagsbewältigung. Ich möchte da eines meiner Lieblingszitate des Politikers Heiner Geißler anführen. Dieser sagte einmal: Ich kann in den Bergen fast alles vergessen, was mich stört. Man wird zwar vom Alltag wieder eingeholt, wenn man herunterkommt, aber man kann ja auch wieder hinaufsteigen. Heiner Geißler hat recht, denn das Unentdeckte in der Natur wird nie enden, man kann immer Neues dazulernen, immer wieder wohlige Angstschauer überwinden und sich immer wieder neue Ziele und Träume setzen.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 22. April 2016: PDF-Version herunterladen

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