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"Es war eine schlimme Erfahrung"

  • Mohamad Bytar, Klasse 8a, Emil-Dörle-Schule (Herbolzheim)

  • Do, 20. Dezember 2018
    Schülertexte

Zischup-Reporter Mohamad Bytar erzählt, wie es für ihn war, in Deutschland, ohne ein Wort Deutsch zu können, neu anzufangen.

Es hat etwas gedauert, bis Mohamad in Kenzingen heimisch wurde.   | Foto: Petra Lewitzky
Es hat etwas gedauert, bis Mohamad in Kenzingen heimisch wurde. Foto: Petra Lewitzky

Vor fünf Jahren kam Mohamad Bytar zusammen mit seiner Mutter und seinen Brüdern aus Syrien nach Deutschland. In seinem Zischup-Bericht erzählt er über sein altes Leben in Hama und sein neues Leben in Kenzingen.

Wir sind aus Syrien geflüchtet. Wir waren zwei Jahre im Libanon und kamen anschließend nach Deutschland. Zunächst reisten nur meine Mutter und ich nach Deutschland, mein ältester Bruder war bereits dort, und mein anderer Bruder folgte uns nach.

Inzwischen bin ich schon seit zwei Jahren in Kenzingen. Als ich mit meiner Mutter nach Kenzingen gekommen bin, hatte ich richtig große Angst. Wir wussten nicht, was auf uns zukommen würde. Außerdem habe ich mich hier sehr fremd gefühlt. Alles war neu für mich. Ein ungewohntes andersartiges Leben, eine neue Schule, fremde Menschen, die für mich noch fremdartige Kultur, unterschiedliche Regeln und viele andere Dinge waren ungewohnt und gaben mir das Gefühl nirgendwo dazuzugehören. Und vor allem – ich konnte nicht Deutsch reden, und das war das Allerschwierigste für mich.

In der Vorbereitungsklasse habe ich fast nichts verstanden

Viele fremde Menschen sind zu uns nach Hause gekommen und wollten uns helfen. Zahlreiche Leute wollten mit uns reden. Aber sich nicht mitteilen zu können und gezwungenermaßen sprachlos sein zu müssen, war am Anfang eine wirklich schlimme Erfahrung für mich. Bald merkten wir, dass uns viele Kenzinger Bürger helfen wollten, aber das hat mir am Anfang auch nicht geholfen, da ich manchmal nicht wusste, was die Menschen von mir wollten. Das war wirklich schwer.
Nach einem Monat hat mich meine Betreuerin an der Emil–Dörle Schule in Herbolzheim angemeldet. Jetzt ging das große Lernen los. In der Schule musste ich eine Vorbereitungsklasse besuchen. Das ist eine Klasse, in der Kinder ohne Deutschkenntnisse erst einmal Deutsch lernen. Ich hatte in Deutsch und Mathematik große Schwierigkeiten. Und in der Vorbereitungsklasse habe ich fast nichts verstanden.

Eines Tages ist meine Mutter zu mir gekommen und hat gesagt: "Mohamad, du kannst mit mir in das Multi-Kulti-Café gehen, da kommen deutsche Leute hin und unterhalten sich mit uns Flüchtlingen." Das hat sich gut angehört, und so sind wir dann jeden Monat dort hingegangen. Da konnte ich ein bisschen Deutsch mit Kenzinger Bürgern reden. Nach jedem Treffen hatte ich das Gefühl, dass es mir helfen könnte, wenn ich wieder hinginge. Während dieser Zeit habe ich auch einmal in der Woche meine Betreuerin besucht. Sie hat mir sehr geholfen, und deshalb wurde ich zum Glück aus der sechsten in die siebte Klasse und vor allen Dingen in die Regelklasse versetzt, weil ich langsam immer mehr verstehen konnte.

In der siebten Klasse habe ich viele andere Fächer dazu bekommen, zum Beispiel Chemie, Physik und so weiter. Es kamen viele neue Inhalte und weitere fremde Fachbegriffe auf mich zu. Somit habe ich Nachhilfe gebraucht. Die Nachhilfe bekam ich drei Mal in der Woche. Ich bin meiner Nachhilfelehrerin sehr dankbar, weil sie mit mir viel gelernt hat. Wir haben sogar in den Ferien und am Wochenende immer weiter gearbeitet. Und mit ihr gemeinsam habe ich es geschafft, Englisch aus den Klassen fünf und sechs aufzuarbeiten. So bin ich in der Klasse sieben und acht zu einem guten Englischschüler geworden.

Deutsch zu lernen, war gut für mich, nicht nur für die Schule, sondern auch für mein ganzes Leben. Ich kann mit anderen Menschen gut Kontakt aufnehmen und mich in der deutschen Sprache verständigen. Auch meine Familie hat schnell Deutsch gelernt, und jetzt sind wir in Kenzingen gut integriert.

Mein Bruder ist 19 Jahre alt, und er hat seinen Hauptschulabschluss in Emmendingen als Jahresbester geschafft! Und ich bin sehr stolz auf ihn. Mein zweiter Bruder ist 25 Jahre alt, er hat ebenfalls Deutsch gelernt, und er arbeitet bei der Firma Zalando. Auch meine Mutter hat fleißig Deutsch gelernt und hat ihre B1- Prüfung im Fach Deutsch bestanden. Weil sie so gut Deutsch spricht, hilft sie jetzt der Stadt Kenzingen und dem Roten Kreuz bei der Integration von neuen Flüchtlingen, die nach Kenzingen kommen.

Diese Schritte, die ich geschafft habe, zeigen mir, dass ich nicht mehr fremd bin, sondern dass ich hier wirklich eine neue Heimat gefunden habe. Viele Menschen haben mir auf diesem Weg geholfen. Ich bin nicht mehr fremd, sondern ich gehöre dazu, nicht nur weil ich Deutsch spreche. Ich habe in Kenzingen meine neue Heimat gefunden.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 20. Dezember 2018: PDF-Version herunterladen

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