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Zischup-Interview

"Ich weiß nie, was der nächste Tag bringt"

Hannah Schoch, Klasse 9a, Staudinger-Gesamtschule, Freiburg

Von Hannah Schoch, Klasse 9a, Staudinger-Gesamtschule & Freiburg

Di, 01. Juli 2014 um 11:24 Uhr

Schülertexte

Ulrich Gebhard ist erfahren im Umgang mit Katastrophen. Er arbeitet seit 15 Jahren bei Caritas international, dessen Hauptsitz in Freiburg liegt. Zischup-Reporterin Hannah Schoch hat ihn interviewt.

Zischup: Welche Aufgaben haben Sie bei Caritas international?

Gebhard: Ich kümmere mich um die Katastrophenhilfe, insbesondere um die Logistik, wenn in großen Katastrophengebieten Hilfsgüter benötigt werden, die man vor Ort im Land oder in der Umgebung nicht bekommt. Die Ware kaufe ich irgendwo auf der Welt ein, wo ich sie günstig bekommen kann, am liebsten in den Nachbarländern. Ich sorge dafür, dass die Hilfslieferung rasch dorthin gelangt, wo sie gebraucht wird. Die Verteilung vor Ort erfolgt zusammen mit unseren lokalen Partnern von Caritas in dem jeweiligen Land.

Zischup: In welchen Ländern waren Sie schon, um zu helfen?

Gebhard: Ich war schon im Tschad in Westafrika, in Indonesien direkt nach dem Tsunami, in Haiti, in Südafrika, Mosambik und zuletzt auf den Philippinen.

Zischup: Kommen Sie in Kontakt mit Menschen in den Katastrophengebieten?

Gebhard: Dazu bleibt mir wenig Zeit. Im Prinzip endet meine Aufgabe, wenn ich die Hilfsgüter in das Land gebracht und an den Partner übergeben habe.

Zischup: Wie verständigen Sie sich in den anderen Ländern?

Gebhard: Ich spreche ganz ordentlich Englisch, Französisch und Spanisch und damit komme ich gut zurecht.

Zischup: Was war das schlimmste Erlebnis in Ihrem Job?

Gebhard: Schlimm und relativ traumatisch fand ich den Einsatz in Haiti. Ich war dort kurz nach dem Erdbeben. Die Fahrt durch die Hauptstadt Port-au-Prince schockierte mich, denn dieses Ausmaß der Zerstörung hatte ich zuvor noch nie mitbekommen. Zusammengestürzte Häuser, unter denen noch tausende Menschen lagen. Der Leichengeruch hing noch in der Luft – dieses Süßliche. Das Ganze belastet einen schon, und ich musste einfach versuchen, das ein Stück weit auszublenden. Wichtig war einfach nur, den Menschen zu helfen und dabei Wege zu finden, die ganze Not nicht zu sehr an sich ran zu lassen. Dieser Einsatz hat mich hinterher noch sehr lange beschäftigt.

Zischup: Was war das schönste Erlebnis in Ihrem Job?

Gebhard: Das schönste Erlebnis war auf den Philippinen. Dort haben die Menschen im Vergleich zu Haiti eine ganz andere Mentalität. In Haiti mussten uns die Blauhelmsoldaten mit Gewehren absichern, damit es bei der Verteilung der Ware keine Übergriffe gab und wir auch sicher wieder raus kommen konnten. Das war eine sehr bedrohliche Stimmung. Auf den Philippinen war eine ganz andere Stimmung, da spürte man diese asiatische Gelassenheit. Die Menschen wussten einfach, dass wir ihnen helfen wollen und genau die Hilfsgüter bringen, die sie auch brauchen. Und genau so hat die Verteilung dann auch stattgefunden. Die Leute haben gewartet, da gab es kein Geschiebe und kein Gedränge.

Zischup: Was für Eigenschaften sollte man haben, um Ihren Job machen zu können?

Gebhard: Man muss vor allem relativ flexibel und offen für neue Lösungen sein. Gerade im Bereich von Hilfsgütern gibt es oft Unsicherheiten. Man kann manchmal das ganze Projekt, so wie man es geplant hatte, nicht durchführen. Beim Projekt auf den Philippinen war dies der Fall. Wir wollten die Ladung Planen aus China in die Philippinen einfliegen lassen, doch es gab einen diplomatischen Zank zwischen der chinesischen und der philippinischen Regierung, sodass wir keine Fluggenehmigung für unsere Flugzeuge bekommen haben. Durch einen Spediteur kamen wir auf die Idee, die Ware aus China auf Lastwagen zu laden und so nach Hongkong zu transportieren. In Hongkong konnten wir die Ladung dann ausfliegen. Außerdem sollte man sich gut auf die verschiedenen Mentalitäten einstellen können, denn ein Asiat tickt eben anders als ein Afrikaner.

Zischup: Sie haben den Radio-Regenbogen-Award "Der Held von nebenan" bekommen, wie kam es dazu?

Gebhard: Für diesen Preis wurde ich von meinem Chef vorgeschlagen. Wir hatten bei unserer Mission in Haiti ein Kamerateam vom ZDF an Bord, das uns von der Verladung bis zu der Verteilung der Hilfsgüter gefilmt und begleitet hat. Dieser Film war mit Sicherheit ein gutes Bewerbungsvideo für diese Auszeichnung.

Zischup: Was gefällt Ihnen am meisten an Ihrem Job?

Gebhard: Am meisten gefällt mir, dass dieser Job sehr flexibel ist, und ich nie weiß, was der nächste Tag bringt. Ich kann nie wissen, wo und wann die nächste Krise ist. Es gibt also immer wieder Neues, in das ich mich einarbeiten darf.

Ressort: Schülertexte

  • Zum Artikel aus der gedruckten BZ vom Di, 26. August 2014:
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