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Im KZ geboren, aber ohne Erinnerungen daran aufgewachsen

  • Antonia Duscheleit, Milena Müller &

  • Do, 30. April 2015
    Schülertexte

Ingelore Prochnow und Anna Böhnisch erzählen in der Katholische Akademie Freiburg über ihre schwierige Kindheit zur Zeit des Naziterrors in Deutschland.

Zeitzeuginnen A. Böhnisch (links) und I. Prochnow   | Foto: M. Bamberger
Zeitzeuginnen A. Böhnisch (links) und I. Prochnow Foto: M. Bamberger
Zeitzeuginnen berichteten in der Katholischen Akademie der Erzdiözese Freiburg über ihre Suche nach ihren Eltern. Die Lesung der beiden 70-jährigen Zeitzeuginnen Ingelore Prochnow und Anna Böhnisch fand im März im Rahmen der Ausstellung "Naziterror gegen Jugendliche – Verfolgung, Deportation und Gegenwehr" in der Katholischen Akademie Freiburg statt.

Vor und nach der Lesung konnte die Ausstellung mit Biografien von 130 Opfern des NS-Terrors angeschaut werden. Die Ausstellung wurde von Schülern auf großformatigen, weißen Texttafeln gestaltet. Alle Geschichten beginnen in Freiburg oder in der Region. Ingelore Prochnow und Anna Böhnisch teilen das gleiche Schicksal: Ihre Mütter hatten beide eine Beziehung zu polnischen Zwangsarbeitern während des Zweiten Weltkriegs und kamen, weil das verboten war, beide ins Frauen-KZ Ravensbrück. Sie berichteten über die Suche nach ihren Eltern.

Ingelore Prochnow ist im KZ Ravensbrück im Jahre 1944 geboren und verbrachte dort ihr erstes Lebensjahr. Mit drei Jahren hat ihre Mutter sie verlassen und angegeben, dass sie tot sei. Daraufhin wurde sie von einer Familie aufgenommen. Die Familie versorgte sie schlecht. Bald wog sie nur noch neun Kilogramm und kam ins Kinderheim. Da ihre Mutter sich nicht meldete, wurde sie im Alter von 16 Jahren adoptiert. Ihren Adoptiveltern musste sie versprechen, niemals nach ihren Eltern zu suchen oder irgendwelche Fragen über sie zu stellen. Darum begann sie erst nach deren Tod, Nachforschungen anzustellen und erfuhr erst mit über 40, dass sie im KZ Ravensbrück geboren wurde und ihre Mutter sie alleine zurückgelassen hatte. An all das kann sich Ingelore Prochnow nicht mehr erinnern.

Mit 42 Jahren hatte sie ihre Mutter dann endlich wiedergefunden und ein Treffen arrangiert. Doch sie wurde wieder enttäuscht, da ihre Mutter ihr kaum eine Frage beantwortete. "Ich wurde von meiner Mutter als dreijähriges Kind allein gelassen und mit 42 Jahren auch", so formulierte sie es am Ende der Veranstaltung. Ihren Vater lernte sie nicht mehr kennen, da er schon gestorben war, als sie ihn fand. Heute lebt sie in Bielefeld und hat zwei Kinder.

Anna Böhnisch wuchs nach ihrer Geburt bei ihren Großeltern auf. Die Mutter war nach ihrer Geburt ins Ravensbrückner KZ gekommen und war dort gestorben. Der polnische Vater kam in mehrere KZs und überlebte diese. Leider kam es nie zu einem Treffen, denn bevor sie ihn finden konnte, war er schon gestorben. Sie begann nämlich die Suche nach ihren Eltern erst, als sie 64 Jahre alt war. Sie fand lediglich Verwandte ihres Vaters. Diese erzählten ihr viel von ihrem Vater, und sie bekam heraus, dass sie viel Ähnlichkeiten mit ihrem Vater hat. Mittlerweile hat Anna Böhnisch drei Kinder und lebt in Baden-Württemberg.

Auf unsere Frage, wie es ist, über ihre Erlebnisse zu erzählen, sagten beide, dass es ihnen immer noch sehr weh tue, über all das zu sprechen und dass sie davor und danach nächtelang nicht schlafen könnten. Aber beide Frauen finden es wichtig, die Geschehnisse und das Leid des Zweiten Weltkrieges an die nächste Generation weiterzugeben.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 30. April 2015: PDF-Version herunterladen

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