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Von Diebstählen, Entführungen und korrupten Polizisten

Jon Gauna, Klasse 9a, Kepler-Gymnasium, Freiburg

Von Jon Gauna, Klasse 9a, Kepler-Gymnasium & Freiburg

Di, 12. Januar 2016 um 13:45 Uhr

Schülertexte

Javier Saez ist 50 Jahre alt, lebt in der venezolanischen Hauptstadt Caracas und führt im Vergleich mit den meisten Menschen in Deutschland ein echt stressiges Leben. Dabei hat er alles, was man für ein gutes Leben braucht. Er hat eine Familie, er ist Ingenieur und verdient genug Geld. Doch Saez lebt in Angst. Er muss jeden Tag drei bis vier Stunden mit dem Auto fahren, um zu seinem Geschäft zu kommen – egal, ob das Wetter schön ist und er vielleicht auch mal Lust dazu hätte, zu Fuß zu gehen.

Der Grund: In Venezuela leben viele arme Menschen. "Darum gibt es hier überall Leute, die dich schon für ein Paar Schuhe umbringen würden", erzählt Saez. "Aus diesem Grund muss entweder jeder ständig selber mit dem Auto fahren oder von jemandem mit dem Auto umher gefahren werden. Was zu Fuß zwanzig Minuten dauert, dauert mit dem Auto etwa zwei Stunden, da hier jeder mit dem Auto fährt. Der einzige Vorteil ist, dass das Benzin in Venezuela sehr viel billiger ist als in Deutschland."

Obwohl Saez eigentlich genug Geld hat, will er sich kein teures Auto kaufen. Der Grund ist einfach: "Wenn die Diebe wissen, dass du Geld hast, wirst du auch überfallen." Und was macht die Polizei? Die hilft nicht. Die Situation sei sehr schlimm, so Saez. "99 Prozent der Polizisten sind korrupt, und sie können dich jederzeit anhalten und dich ins Gefängnis bringen, außer wenn du ihnen Geld gibst." Da der Verkehr immer stark ist und sich die Autos häufig nur im Stop-and-go vorwärts bewegen können, haben die Diebe eigentlich ständig die Gelegenheit, die Fahrer und Fahrerinnen der Autos zu überfallen. Und Saez weiter: "Ich hab mir extra ein altes Handy gekauft, damit ich den Dieben, falls ich mal überfallen werde, das Handy einfach in die Hand drücken kann. Dann muss ich das Handy, das ich wirklich benutze, nicht an sie abgeben."

Viele Gebäude in Caracas haben heutzutage einen Hausmeister. Das hört sich erst einmal gut an. Aber manche Hausmeister informieren die Diebe und manchmal sogar die Mafia über den Wohlstand der Hausbewohner. Was danach passiert, ist klar: Die Bewohner werden überfallen und ausgeraubt und natürlich bekommt der Hausmeister Geld dafür, dass er die Informationen weitergegeben hat.

Javier Saez ist neidisch auf die Deutschen. In Deutschland, so sagt er, lebe es sich sehr viel besser und sehr viel sicherer als in Venezuela. "In Caracas zum Beispiel ist es für meine Kinder unmöglich, allein rauszugehen, und beide Kinder sind schon über 16 Jahre alt." In Venezuelas Hauptstadt ist es ziemlich normal, dass Kinder entführt werden. Man nennt das Kidnapping-Express – und Saez erklärt warum: "Das bedeutet, dass dein Kind entführt wird und du innerhalb von 30 Minuten angerufen wirst. Die Entführer sagen dir dann, wie viel es dich kostet, deine Kinder wiederzubekommen. Und wenn die Entführer feststellen, dass es bei dir klappt, dann werden sie das sicherlich wiederholen."

In Venezuela könne man keinem außer seiner Familie und seinen Freunden trauen, so Saez. Und man müsse ständig mit einem Überfall rechnen. Dazu Saez: "Ein Obdachloser in Deutschland kann viel glücklicher sein als ich, ein Ingenieur, in Venezuela". Wenn er könnte, würde Saez alles tun, um nach Deutschland zu kommen. Er würde sogar seinen ganzen Besitz verschenken. "Seid glücklich, dass ihr in so einem Land lebt."

Ressort: Schülertexte

  • Zum Artikel aus der gedruckten BZ vom Fr, 18. Dezember 2015:
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