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"Weil es Spaß macht, frei zu sein"

  • Di, 22. Januar 2013
    Schülertexte

ZISCHUP-INTERVIEW mit Vivian Hösch, die trotz ihrer Sehbehinderung eine erfolgreiche Sportlerin ist.

Vivian Hösch beim Schießtraining im Nordic-Center am Notschrei.   | Foto: privat
Vivian Hösch beim Schießtraining im Nordic-Center am Notschrei. Foto: privat

Jana Zimmermann und Annalena Schmid aus der Klasse 8a des Deutsch-Französischen Gymnasiums Freiburg sind selbst begeisterte Sportlerinnen. Sie interessierten sich dafür, wie man es schaffen kann, als Sehbehinderte mit so viel Ehrgeiz Sport zu machen. Sie führten ein Interview mit Vivian Hösch, die ihnen von ihrem Leben und ihrem Erfolg im Sport erzählte.

Zischup: Wie lange bist du schon blind?
Vivian Hösch: Von Geburt an bin ich sehbehindert, dass heißt ich konnte früher noch Farben und Umrisse sehen und seit ich neun bin, bin ich vollkommen blind. Ich sehe ein bisschen Licht, aber nur wenn der Kontrast zwischen hell und dunkel stark genug ist.

Zischup: Wie sieht dein Alltag aus?
Hösch: Ich mache eine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten bei der Stadt Freiburg. Da ich dort jetzt schon fast fertig bin, fahre ich jeden Tag nach Offenburg, um dort in die Schule zu gehen. Ich bereite mich dort für die Abschlussprüfungen vor. Danach mache ich viel Sport: Biathlon und Langlauf. Sonst mache ich das übliche, wie mich am Wochenende mit Freunden treffen, lernen oder abends mit meinen Mitbewohnern essen. Ich wohne in einer Wohngemeinschaft mit anderen Sportlern.

Zischup: Was ist im Alltag für dich am schwierigsten?
Hösch: Dadurch, dass ich den Alltag gar nicht anders kenne, habe ich mich daran gewöhnt, nichts zu sehen. Man hat täglich fast den gleichen Ablauf und dadurch komme ich ganz gut zurecht. Ich musste mir aber trotzdem von Anfang an Gedanken machen, wo ich was hinlege, um es nachher wieder finden zu können. Mein größtes Hilfsmittel ist mein Laptop mit Sprachausgabe, mit dem ich, auch bei meiner Ausbildung, lesen und schreiben kann. Wenn ich draußen unterwegs bin habe ich einen Blindenstock, um Stufen oder Mauern zu erkennen.

Zischup: Woher weißt du, wohin du gehen musst?
Hösch: Ich kann meine Wege auswendig. Mir wurden die Wege durch Mobilitätstraining gezeigt und wenn man sie ein paar Mal entlang läuft, dann weiß man sie auch bald auswendig.

Zischup: Stimmt es, dass man besser höten kann, wenn man blind ist?
Hösch: Ich sage immer, dass mein Gehör besser trainiert ist. Dadurch, dass ich nicht sehen kann, konzentriere ich mich mehr auf das Gehör, das meine Sehbehinderung ausgleicht. Ich sehe keine Bilder, die mich ablenken.

Zischup: Warst du auf einer Sehbehindertenschule?
Hösch: Ich besuchte eine Sehbehindertengrundschule in Waldkirch und ab der 5. Klasse war ich auf einem regulären Gymnasium. Ich hatte jeden Tag meinen Laptop dabei, in den ich alle meine Bücher und Hefte digital eingespeichert hatte. Ich hatte auch eine Assistenzkraft dabei, die mir die Arbeitsblätter und Arbeiten eingescannt und auf einem Stick geladen hat, damit ich – während die anderen die Arbeitsblätter machten – sie gleichzeitig auf meinem Laptop bearbeiten konnte. Ich glaube es ist gut, sowohl auf eine Sonderschule zu gehen, auf der man zum Beispiel die Blindenschrift lernt, als auch eine normale Schule zu besuchen. Wir Sehbehinderten lernen auf einer Sonderschule zum Beispiel auch Tricks, die Sehende nicht kennen, können aber auch auf einer regulären Schule Erfahrungen sammeln.

Zischup: War es umständlich für dich, auf eine reguläre Schule zu gehen?
Hösch: Es hat funktioniert. In Fächern wie zum Beispiel Physik war es nicht immer einfach für mich, da viel über die Augen und das Visuelle funktionierte, aber es war machbar.

"Mein großes Ziel ist es,

2014 an den Paralympischen Spielen teilzunehmen."

Vivian Hösch
Zischup: Und wie bist du zum Sport gekommen?
Hösch: Ich habe schon in meiner Kindheit viel Sport gemacht. Ich war in einem Sportkindergarten, bin jahrelang geschwommen und bin hobbymäßig mit meiner Familie Alpin-Ski gefahren. Danach haben wir nach alpinen Möglichkeiten für mich gesucht, doch das meiste war viel zu weit weg. Nach einiger Zeit hat mich der Olympiastützpunkt Freiburg kontaktiert und mir angeboten, in einer Gruppe für Biathlon und Langlauf teilzunehmen. Dann hab ich das ausprobiert, und das hat mir sehr viel Spaß gemacht.

Zischup: Wie funktioniert Biathlon als Sehbehinderte?
Hösch: Beim Schießen habe ich Kopfhörer auf, mit denen ich ein Tonsignal hören kann, das in der Höhe variiert. Je näher man zum Zentrum der Scheibe kommt, desto höher wird der Ton. Wenn er ganz hoch ist, drücke ich ab und bekomme danach eine Bestätigung, also ein Signal, ob mein Schuss ein Treffer oder ein Fehler war. Auf der Loipe habe ich einen Vorläufer, der permanent "hopp" ruft, damit ich seine Stimme als Orientierung habe. Er sagt mir auch mit Hilfe der Uhrzeiten die Kurven beziehungsweise die Richtungen an. Ich laufe ihm auch frei hinterher.

Zischup: Was inspiriert dich an dem Sport?
Hösch: Die Vielfalt. Vor allem die Abwechslung von Laufen und Schießen. Beim Langlaufen die technischen Herausforderungen. Weil ich immer verschiedene Strecken laufen kann. Weil es Spaß macht, frei zu sein und weil ich den Schnee einfach liebe.

Zischup: An welchen internationalen Wettbewerben hast du schon teilgenommen?
Hösch: Am Weltcup und an den Weltmeisterschaften. Mein großes Ziel ist es, 2014 an den Paralympischen Spielen teilzunehmen.

Zischup: Was hast du schon durch deinen Sport erreicht?
Hösch: Mit meiner letzten Saison war ich sehr zufrieden, da ich beim Weltcup zweimal Dritte wurde. Das ist ein sehr schönes Gefühl, wenn sich das viele Training auszahlt. 2011 war ich bei meinen ersten Weltmeisterschaften. Dort ging es eher darum, Erfahrungen zu sammeln. Die nächsten Weltmeisterschaften finden 2013 statt und ich bin sehr gespannt, ob ich dort dann mehr erreichen werde.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 22. Januar 2013: PDF-Version herunterladen

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