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Seit Pisa-Schock stetig verbessert

kna,dpa

Von kna & dpa

Mi, 24. Oktober 2018

Deutschland

Im Bildungssystem hat sich in den vergangenen 17 Jahren viel getan / Die größte Schwäche bleibt die Bedeutung der sozialen Herkunft.

BERLIN (dpa/epd). Die Chancen sozial benachteiligter Kinder verbessern sich im deutschen Bildungssystem nur langsam. Verglichen mit anderen Ländern habe Deutschland beim Thema Chancengleichheit allerdings stark aufgeholt. Das geht aus einer am Dienstag von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vorgestellte Neuauswertung der Pisa-Ergebnisse von 2015 hervor. Damals hatten in 72 Ländern 540 000 Schüler im Alter von 15 Jahren teilgenommen. Die Bildungserfolge von Kindern aus Akademikerfamilien und Arbeiterhaushalten unterschieden sich allerdings noch immer deutlich.

Abschlüsse:
Nur knapp 15 Prozent der Erwachsenen mit Eltern ohne Abitur erreichen in Deutschland ein abgeschlossenes Hochschulstudium. Im Durchschnitt der meisten OECD-Länder sind es immerhin 21 Prozent. In Neuseeland schließen rund 39 Prozent dieser Menschen ein Studium ab, in Finnland 34 Prozent – in Tschechien dagegen nur 3,6 Prozent. Fast jeder Vierte schafft in Deutschland einen höheren Bildungsabschluss als die Eltern. Im OECD-Durchschnitt sind das mit 41 Prozent deutlich mehr, in Korea sogar 57 Prozent, in Finnland 55 Prozent.

Besonders wichtig ist das, weil die Abschlüsse über die Berufschancen entscheiden: Bei den Hochschulabsolventen liegt die Arbeitslosenquote nur bei etwa der Hälfte der ohnehin vergleichsweise geringen Quote in Deutschland.

Nachteile:
Schon in der Schule kommt es oft nicht zu einer Durchmischung von benachteiligten und weniger benachteiligten jungen Menschen. So zeigt der Bericht, dass 46 Prozent der Schüler mit sozialer und ökonomischer Benachteiligung Schulen besuchen, in denen viele benachteiligte Schüler sind. Im OECD-Schnitt sind es allerdings sogar noch etwas mehr (48 Prozent), in Finnland sind es hingegen nur 40 Prozent. Und diese Durchmischung macht oft den Unterschied: Laut den OECD-Experten erreichen benachteiligte Schüler in nicht benachteiligten Schulen deutlich bessere Leistungen.

Verbesserungen:
Ob beim Lesen, in Mathe oder den Naturwissenschaften – bei den Leistungen sieht man laut OECD in den vergangenen Jahren deutliche Verbesserungen in Deutschland, was die Abhängigkeit vom sozioökonomischen Status anbelangt. Zwar erklären die Bildungsexperten der Organisation etwa bei den Naturwissenschaften immer noch 16 Prozent der Unterschiede der Schülerleistungen mit dem sozialen Hintergrund (Stand 2015). Knapp zehn Jahre zuvor waren es aber noch vier Prozentpunkte mehr. Das sei die größte Verbesserung unter den OECD-Ländern, so die Studie.

Weitere Verbesserungen:
Auch in früheren OECD-Publikationen zeigten sich positive Trends. Binnen gut zehn Jahren ist der Anteil der Unter-drei-Jährigen, die eine Kita oder einen Kindergarten besuchen, um 20 Prozentpunkte gestiegen. In kaum einem anderen Land ist der Anteil sozial schwacher Schüler mit soliden Leistungen so deutlich gewachsen wie in Deutschland – von 25,2 im Jahr 2006 auf 32,3 Prozent 2015. Der Großteil der jungen Erwachsenen hat Abitur oder einen Berufsabschluss.

Hintergründe:
Mittlerweile ist der PISA-Schock 17 Jahre her. Damals zeigte die OECD, dass die Leistungen der deutschen Schüler unterdurchschnittlich und stark an die soziale Herkunft gekoppelt waren. Trotz aller Verbesserungen ziehen sich soziale Benachteiligungen auch heute oft durch die ganze Bildungslaufbahn: So besuchen Kinder von Müttern mit Spitzenabschlüssen weit häufiger eine Kita als Kinder ohne einen solchen Bildungsstatus.

Ansatzpunkte:
Laut OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher müsste frühkindliche Bildung vor allem für Familien etwa mit ausländischen Wurzeln und für Ärmere noch stärker ausgebaut werden. Auch könnten für benachteiligte Schüler und Schulen schlicht mehr Mittel fließen. Schüler mit sozialen Nachteilen sollten sich seiner Meinung nach auch weniger in bestimmten Schulen konzentrieren. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte bereits seit Längerem eine Förderung von Schulen in Brennpunktbezirken – dort müssten mehr Lehrkräfte eingestellt werden, so dass die einzelnen Lehrer weniger Pflichtstunden unterrichten müssten. GEW-Chefin Marlis Tepe: "Es sind oft Kinder, die zuhause keine Bücher vorgelesen und keinen Zugang etwa zu klassischer Musik bekommen."

Ressort: Deutschland

  • Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der BZ vom Mi, 24. Oktober 2018:
  • Zeitungsartikel im Zeitungslayout: PDF-Version herunterladen

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