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Südbadener in Rio (12)

Carl Dohmann geht Rio de Janeiro gelassen entgegen

Andreas Strepenick

Von

Mi, 27. Juli 2016 um 00:00 Uhr

Olympische Spiele

Carl Dohmann, Geher aus Freiburg, startet in Rio de Janeiro über 50 Kilometer – eine wahre Tortur. Im bulgarischen Rila-Gebirge und an der Dreisam bereitet er sich auf die Spiele vor.

Kleine Trainingspause an der Dreisam: Geher Carl Dohmann  | Foto: Patrick Seeger
Kleine Trainingspause an der Dreisam: Geher Carl Dohmann Foto: Patrick Seeger
Carl Dohmann erlebt ebenso einsame wie schöne Tage. Er ist weit weg von allem, was ihn jetzt ablenken könnte. Im bulgarischen Rila-Gebirge bereitet er sich auf seinen großen olympischen Tag vor. Stundenlang geht er auf Bergpfaden, und gelegentlich kommt er dann auch an einem Stausee vorbei, der auf 1900 Metern über dem Meer blaues und klares Wasser speichert für die Versorgung der bulgarischen Hauptstadt Sofia.

Einsam schöne Tage im Rila-Nationalpark

Außer ihm und ein paar anderen Athleten aus dem Trainingszentrum im Rila-Nationalpark sieht man hier oben kaum einen Menschen. Die Landschaft ist wild und ursprünglich, an schattigen Stellen lagern bis in den Frühsommer hinein Schneereste. 2925 Meter hoch ist der höchste Berg, der Musala, von seinem Gipfel aus kann man an guten, klaren Tagen in der Ferne Griechenland und die Ägäis erahnen.

In der Ferne ist die Ägäis zu erahnen

Hier also geht der Freiburger Dohmann Tag für Tag und trainiert. Er absolviert eindrucksvolle Distanzen. "210 bis 220 Kilometer kommen in der Woche zusammen", berichtet er der Badischen Zeitung. "Das Training läuft gut. Alles läuft nach Plan." Sein Plan wurde im Grunde schon vor sieben Jahren geboren. Als er sein Abitur gemacht hatte und nach Freiburg zog, um hier mit dem Studium zu beginnen – und mit Trainingszyklen, die ihn dorthin brachten, wo er jetzt steht. "Schon als ich 19 Jahre alt war, habe ich mir die Spiele in Rio zum Ziel gesetzt."

Seit sieben Jahren träumt Dohmann von Rio

Dohmann wird am Freitag, 19. August, um acht Uhr früh brasilianischer Zeit in eines der härtesten Rennen gehen, die der Leistungssport zu bieten hat. Er geht 50 Kilometer und wird dabei fast vier Stunden unterwegs sein. In Deutschland ist es schon 13 Uhr, wenn der Startschuss fällt. Sein Plan, sein Ziel, sein Wunsch ist es, an diesem Tag "in meiner Bestform zu sein, und danach sieht es im Augenblick aus".

Ein Top-Ten-Platzierung wäre sehr gut

Der 26-Jährige ist realistisch genug, nicht von einer Medaille zu träumen. Es wäre für ihn schon ein großer Erfolg, als Zehntschnellster abzuschließen. Langfristig gesehen sei es sein Ziel, es unter die zehn Besten der Welt zu bringen, erklärt er. "Aber das ist im Augenblick wohl noch nicht realistisch." Die Leistungsdichte sei hoch im olympischen Gehen. Er will so nahe wie möglich an die Top Ten herankommen, sich so lange es geht in der Gruppe halten, "und alles andere entscheidet sich ohnehin erst auf den letzten 20 Kilometern".

Um wirklich fit zu sein für diesen Tag der Tage in Rio de Janeiro, hat Dohmann zwei Möglichkeiten: Er kann entweder sehr früh anreisen oder sehr spät. Er kann sich in aller Ruhe akklimatisieren, ins olympische Flair hineinfühlen – oder aber seine ganze Kraft und Energie in der Heimat sammeln, sich dem olympischen Trubel entziehen und erst kurz vor dem Wettkampf in der Stadt am Zuckerhut eintreffen.

Anreise erst unmittelbar vor dem Wettkampf

Dohmann hat sich für die zweite Variante entschieden. An diesem Mittwoch kehrt er zurück aus dem bulgarischen Rila-Gebirge, erhält sein Olympia-Outfit und wird seine letzten Trainingskilometer dort gehen, wo man ihn häufig sieht: entlang der Dreisam in Freiburg. Er wird auch dann noch seine genau abgemessenen Etappen dort absolvieren, wenn die Spiele längst begonnen haben. Erst am 16. August setzt er sich in den Flieger, drei Tage vor dem Wettkampf.

Jetzt an der Dreisam die Kräfte sammeln

Dohmann sammelt seine Kräfte also dort, wo er am liebsten ist und ihn nichts ablenken kann. Obwohl er sieben Jahre lang auf seinen olympischen Traum hingearbeitet hat, spürt er jetzt, knapp vier Wochen vor dem großen Tag, keine Nervosität. "Kribbeln tut’s noch nicht", sagt er. "Aber ich merke natürlich, dass Rio vor der Tür steht." Im Trainingslager von Bulgarien bekommt man das allenfalls dann mit, wenn man ins Internet geht und die Nachrichten verfolgt, und auch daheim in Freiburg wird sich der Geher vom SCL Heel Baden-Baden nötigenfalls gut abschotten können.

"Ich habe sehr viel in diese Spiele investiert", sagt er. Im Winter studierte er kaum noch, und im Sommersemester setzte der angehende Volkswirtschaftler gleich ganz aus. Dohmann ist ein ruhiger, nachdenklicher und freundlicher junger Mann, der nicht zu Übertreibungen neigt. Er ist angenehm unaufgeregt. "Rio bedeutet mir schon Einiges. Und ich versuche Einiges, um da gut zu sein."

Ressort: Olympische Spiele

Dossier: Südbadener in Rio

  • Zum Artikel aus der gedruckten BZ vom Mi, 27. Juli 2016:
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