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Ernten, was die Amis säen

Christian Engel
  • Fr, 03. Februar 2017
    American Football

Superbowl schaut jeder, nun geben sich Footballfans aber bereits die Playoffs der NFL – der Hype hilft deutschen Vereinen.

Nein, das ist nicht der Superbowl, noc...pe um ihre Sportart zu nutzen wissen.   | Foto: Seeger
Nein, das ist nicht der Superbowl, noch nicht mal die NFL. Das ist Football in Freiburg, wo sie den Hype um ihre Sportart zu nutzen wissen. Foto: Seeger
FREIBURG. Pommes baden in Ketchup, in Mundwinkeln klebt Majo, Jakob macht des Exports raren Moment der freien Entfaltung zunichte und kippt den letzten Schluck hinunter. Neben ihm sitzt Lukas. Um sie herum lümmeln Pub-Besucher, Guinness trinkend, Burger mampfend. Der Kellner erreicht mühelos die Gäste, übersieht dabei Jakob, der die Hand hebt. Jakob schaut dem Kellner hinterher, dann auf einen der Bildschirme, auf dem American Football läuft. Anschließend blickt er auf das Bierglas in seiner Hand. "Ich hätte es mir voller vorgestellt."

In den Wochen zuvor war im O’Kellys mehr los, als der Freiburger Pub die Playoff-Partien der National Football League (NFL) zeigte. Der Kellner erzählt, dass manche Gäste sich Stühle teilten, er über die Köpfe hinweg Bestellungen aufnahm. Vielleicht liege es daran, dass an der Uni die Lernphase beginne, sagt er.

Lukas und Jakob stehen vor den ersten Juraprüfungen ihres Studiums. Ein paar Stunden müssen für Football drin sein, findet Jakob. Seit halb Acht verfolgt er die Übertragung der Conference Championships zwischen den Atlanta Falcons und den Green Bay Packers. Wenn der Pub schließt, will er daheim weiterschauen. Bis zwei oder drei Uhr, sagt er. Lernen könne er morgen.

"Ran" hat einen großen Anteil daran, dass sich hierzulande viele bei der morgendlichen Kaffeepause über Touchdowns, Hail Marys und Interceptions unterhalten. Die einstige Fußballshow hat sich im Laufe der vergangenen 25 Jahre auf Radfahren, Tennis und Boxkämpfe gestürzt – mittlerweile versucht sie es mit American Football. "Ran Football" mit Kommentator Frank Buschmann berichtet auf einem Privatsender und im Internet live von den Playoff-Spielen. Bis zu 600 000 schalteten deutschlandweit bei einzelnen Spielen ein. Der Quotenkracher soll der Superbowl am Sonntag werden (Sat1, 22.55 Uhr). Vergangenes Jahr sahen zwei Millionen Zuschauer das Finale auf "Ran".

Jakob hat kaum ein NFL-Spiel verpasst. Seitdem der 20-Jährige vor sechs Jahren seinen ersten Superbowl angesehen hat, ist er angefixt. Er steht auf die 49ers, die zu jener Zeit furios spielen. Ein Erfolgsfan also. Damit kann Jakob leben. Denn heute, sagt er, sei sein Team nicht mehr auf der Höhe, dennoch halte er zu ihm. Regelmäßig informiert er sich auf der Homepage der 49ers über aktuelle News, er folgt ihnen auf Facebook, schwärmt von Aaron Rodgers, einem Quarterback der Green Bay Packers, zwar keiner von den 49ers, aber trotzdem gut. NFL-Poster hat der Student keine im Zimmer, ein Trikot seines Teams fehlt ihm noch. Er träumt davon, bei einem Spiel in den USA im Stadion zu sitzen.

Ob er es sich vorstellen kann, die German Football League zu verfolgen? Oder die Freiburger Sacristans zu besuchen, deren Endzone quasi um die Ecke liegt? Wer mit der NFL anfange, sagt Jakob, könne nicht deutschen Football anschauen. "Das ist wie ein Abstieg von der Champions League in die Kreisliga."

In Freiburger stehen 60 Footballer auf dem Platz

Seit zehn Jahren leitet Thomas Meyer den AFVD, den American Football Verband Deutschland. Die NFL, sagt er, habe weltweit Strahlkraft, in Deutschland ist Football eine von vielen Nischensportarten. "Bei der Sportförderung sitzen wir als nichtolympischer Verband im letzten Waggon, vom Bund bekommen wir null Cent." Meyer glaubt, dass es mit seinem Sport vorwärtsgeht. Weil der Verband wächst und die Vereine populärer werden.

Der Zuschauerschnitt der Schwäbisch Hall Unicorns hat sich in 20 Jahren verdreifacht. Die Meistertitel von 2011 und 2012 hätten daran ihren Anteil, vor allem aber die Übertragung der NFL-Spiele im TV, meint Matthias Urmes, der als Offensive Lineman vor dem Wechsel zu den Unicorns bei den Freiburger Sacristans spielte.

In Freiburg bemerken sie die steigende Popularität auch. Der Zuschauerschnitt liegt zwar konstant bei 400, dem Vorstand ist etwas anderes aber wichtiger: die Zahl der Mitglieder.

Diese wächst stetig, sagt Jochen Kern. Innerhalb der vergangenen zwei Jahre von 170 auf 220. Große, Kleine, Dicke, Dünne strömen laut Kern aufs Trainingsgelände. Bei der ersten Mannschaft, die derzeit in der Oberliga aufläuft, sind teils 60 Spieler auf dem Feld. Auch Jugendliche und Kinder seien begeistert, manche reisten extra aus Neuenburg an, erzählt der Pressesprecher. "Sie sehen den Sport im Fernsehen, finden ihn attraktiv – und wollen ihn dann ausprobieren."

Für Jakob und Lukas, die Edelfans aus dem Irish Pub, ist das mit dem Selberausprobieren nichts. Der eine joggt, der andere spielt Tischtennis. Sie gucken lieber, fachsimpeln, schütteln die Köpfe, wenn der Kicker ein Field Goal verpasst hat. Beim Football, sagt Jakob, sei es bis in die Schlussminuten spannend. "Das wird noch eine lange Nacht." Dann ballt er die Faust, als Aaron Rodgers einen Wurf an den Mann bringt.

Ressort: American Football

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 03. Februar 2017: PDF-Version herunterladen

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