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Fast eine brotlose Kunst

Wolfram Köhli

Von

Fr, 12. Mai 2017

Golf

MENSCHEN UND SPORT: Caroline Zolg ist die beste Golferin der Region, Profi will sie nicht werden.

GOLF. Der Vater prescht um die Ecke und sagt energisch: "Golfprofi wird sie nicht!" Eine Ansage, die im ersten Moment etwas irritierend wirkt. Ganz brav auf dem Sofa sitzt Caroline Zolg, die ehemalige Kaderspielerin aus Offenburg. Ehemalige mit 17 Jahren? Ja, seit etwas mehr als einem halben Jahr geht die junge Frau schulischen Verpflichtungen und golferischer Passion auf der Loretto School im schottischen Musselburgh nach. Norbert Zimmermanns, der Leistungssportkoordinator des baden-württembergischen Golfverbands stimmt zum Loblied auf die Siegerin der Internationalen Matchplay-Trophy 2014 an. "Eine sehr sympathische zurückhaltende Person."

Genau dieses Bild vermittelt Caroline Zolg. Nichts von Arroganz ob der tollen sportlichen Erfolge in einer Sportart, die sich noch immer schwertut mit der allgemeinen Anerkennung. "Bonzensport", wie Mitschüler schon mal sagten. Infiziert wurde nicht nur sie von ihrem Vater Uwe, dem ehemaligen Jugendwart des GC Ortenau in Lahr. Der vertauschte einst in Österreich die Skistöcke mit dem Golfschläger und steckte mit seiner Begeisterung seine fünfköpfige Familie an. Jonas (21), der Student des Wirtschaftsingenieurwesens in Karlsruhe, Julius (18), der Abiturient am Wirtschaftsgymnasium Offenburg und Caroline (17) gehen mit dem Golfschläger veritabel um.

Anfangs biss nur Jonas an. Die engagierte Jugendarbeit beim Freiburger GC brachte ihn – und später die gesamte Familie vom GC Ortenau nach Freiburg. Die Schwester malte zuerst, da die Familienorganisation sie irgendwie gefangen nahm. Anfangs frustete es sie, dass sie den kleinen weißen Ball kaum bis zur 50 Meter Marke schlagen konnte. "Der Bruder hat gespielt und ich bin halt mitgegangen", erinnert sie sich an die Anfänge im Gereutertal in Reichenbach. Und plötzlich fiel der Groschen. Sie spielte als Zwölfjährige in der AK 14, das Team in Freiburg passte. So wurde alles zum "Selbstläufer". Zumindest sportlich. Selbstfahrend war dabei nichts. Ihre Mutter Andrea: "Wie wir das gemacht haben, können wir uns nicht mehr vorstellen. Aber irgendwie hat alles gepasst."

Bei Caroline stellte sich immer wieder die Gretchenfrage, ob Golfen in der Schule als Sport anerkannt werde. So richtig Klarheit ob der sportlichen Einordnung herrschte am Grimmels in Offenburg nicht. Aber der guten Schülerin, die in Mathe und Physik mit einer Eins glänzte, wollte sich niemand in den Weg stellen. Bei im Schnitt 25, meist mehrtägigen Turnieren mit rund 40 Golfrunden im Jahr, addierten sich die schulischen Fehlzeiten auf. Von der Unkenntnis über die Sportart im Allgemeinen berichtet Jonas: "Die wissen ja nicht, was trainieren heißt. Die Jungs fragten immer wieder, hast Du auch einen eigenen Wagen?"

Dass Fitnesstraining für Caroline einen ganz wesentlichen Bestandteil ihrer Übungseinheiten darstellt, passt so gar nicht in das öffentliche Bild der Sportart Golf. Die Vielfalt an Schlägen, Nuancen im Bewegungsablauf, geforderte Präzision, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden, die hohen Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit über mehrere Stunden haben es Caroline Zolg angetan. Eine zusätzliche Motivation erhält sie durch das Spiel in einer Mannschaft. "Es macht einfach viel Spaß füreinander zu spielen." Seit dieser Saison schlägt sie für den GC Stuttgart Solitude in der Ersten Bundesliga ab. Zu den ersten Spieltagen wird sie eingeflogen.

Gerade aus dem Trainingslager aus Italien zurückgekehrt fällt ihr ein gravierender Unterschied zum Dasein als Kaderspielerin auf. "Im Kader waren wir alle Einzelspielerinnen und jede wollte für sich besser werden."

Seit rund neun Jahren schwingt sie nun die Golfschläger mit Ambition. Eng mit dem Golfspiel ist die Entscheidung verbunden, ein Auslandsjahr im englischsprachigen Raum zu absolvieren. "Mit ordentlichem Englisch", wie die Mutter einforderte: Ein K.O-Kriterium für ein amerikanisches College. "Die Schule machte nicht mehr viel Spaß. Zudem wusste ich nicht, was ich nach der Zehnten fürs Abi wählen sollte." Im Internat mit Golfakademie belegt Caroline Zolg nun Mathe, Chemie, Business und Englisch für Ausländer. In rund acht Wochen wird sie zurückkommen.

Während Alterskolleginnen Serien schauen, chillen und sich miteinander treffen, ordnet Caroline ihr Leben früh anders. "Ich ging in die Schule, um Golfen zu können." Natürlich blieben Jugendfreundschaften und andere Interessen etwas auf dem Weg liegen, wie die viele Zeit auf der Autobahn. Unabhängig des brillanten Handicaps (-0,3) gibt es auch andere positive Nebenwirkungen: "Caroline ist ziemlich organisiert", sagt die Mutter. "Sie hat eine vorbildliche Einstellung", sagt Norbert Zimmermanns. Dabei halfen das Mentaltraining und die Erkenntnis, einen Sport für sich zu haben, für den sie auf einiges verzichtet. Und das Kompliment des Bruders Jonas, der anfangs als Vorbild herhalten durfte. "Mädels spielen schöner Golf." Auf der internationalen Bühne dieses Sports ist dies im Vergleich zu den Herren der Schöpfung aber fast eine brotlose Kunst.

Der väterlichen Sorge war Caroline Zolg schon früh begegnet: "Ich will kein Profi werden" sagt sie, "ich will einen normalen Job." Viele Talente hörten auf, so die junge Golferin, "weil sie nicht weiterkommen, weil ihnen die Sinnhaftigkeit beim Spiel verloren ging". Dies möchte die junge Offenburgerin nicht erleben. Und so kommt sie wieder zurück und geht das Abitur an – mit einem großen Schatz an Erfahrung: golferisch und menschlich.

Ressort: Golf

Dossier: Menschen und Sport

  • Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der BZ vom Fr, 12. Mai 2017:
  • Zeitungsartikel im Zeitungslayout: PDF-Version herunterladen

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