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Kino

Steven Spielbergs Drama "Die Verlegerin"

Gabriele Schoder
  • Di, 20. Februar 2018, 20:20 Uhr
    Kino

Ein brillant inszeniertes und überzeugend gespieltes Plädoyer für Pressefreiheit und den Mut zur Aufklärung: das ist Steven Spielbergs Film "Die Verlegerin".

Meryl Streep als Verlegerin der Washington Post  | Foto: Niko Tavernise
Meryl Streep als Verlegerin der Washington Post Foto: Niko Tavernise
Pentagon Papers? Der Fall ist schon fast ein halbes Jahrhundert her, aber er war bahnbrechend für Pressefreiheit, investigativen Journalismus und Regierungskontrolle, von der Watergate-Affäre bis zu den Wikileaks- und Whistleblower-Enthüllungen der Gegenwart. Die Pentagon-Papiere, ein Geheimdokument der US-Regierung, erstellt ab 1967 im Auftrag des damaligen Verteidigungsministers McNamara, berichten auf 7000 Seiten detailliert und erstaunlich offen über das Engagement der USA in Indochina während mehrerer Jahrzehnte und vier Präsidentschaften. Und sie beweisen, dass der Vietnamkrieg bereits lange vor dem offiziellen Eingreifen geplant war – zur Bekämpfung des Kommunismus.

Kein Geschichtsdrama aus vergangener Zeit

Als der Ökonom Daniel Ellsberg, ein hochrangiger Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums, die Papiere im Jahr 1971 heimlich fotokopierte, war kein Ende des Vietnamkriegs in Sicht – die US-Regierung wollte ihn, und auch das belegen die Papiere, aber weiterführen, trotz steigender Verluste auf der eigenen Seite.

Mit Kämpfen im Dschungel von Vietnam, sterbenden Soldaten und Lügen der US-Militärs über angeblich optimistisch stimmende Kriegsfortschritte eröffnet Steven Spielberg seinen Film, bevor wir Ellsberg (Matthew Rhys) beim Dokumentenschmuggel sehen. Ein Geschichtsdrama aus vergangener Zeit? Nein, ein höchst aktuelles – über Zeitungen im Widerstand gegen Machthaber, die den "Medien den Krieg erklären", wie sich der Regisseur im Interview ausdrückt (siehe "bz-ticket.de").

Wie vor zwei Jahren Tom McCarthys Oscargewinner "Spotlight" über Missbrauch in der katholischen Kirche von Boston feiert auch Spielbergs Film Ethos und Erfolg unerschrockener Redakteure, ohne sie dabei allzu sehr zu heroisieren. Darüber hinaus aber ist "Die Verlegerin" ein feministisches Drama, das Porträt einer Frau, die aus Ängsten, Druck und gesellschaftlicher Rollenerwartung in eine einsame Entscheidung hineinwächst. Gespielt wird diese Verlegerin von einer fulminanten Meryl Streep: Die 68-jährige US-Amerikanerin dürfte von ihren inzwischen sensationellen 21 Oscarnominierungen nicht viele so sehr verdient haben wie diese.

Eine Riege stark aufspielender Männer

Okay, "Die Verlegerin" ist auch im Rennen um den Oscar für den besten Film, aber was ihn so gut macht, ist eben sie. Und das trotz einer Riege wirklich stark aufspielender Männer, allen voran Tom Hanks als Ben Bradlee, Chefredakteur der Washington Post und platonischer Liebespartner seiner Verlegerin. Als die New York Times am 13. Juni 1971 auf der Titelseite die ersten Auszüge aus den Pentagon-Papieren veröffentlicht, ist Bradlee frustriert: Wird er die eigene Zeitung jemals aus dem Schatten des bewunderten und beneideten Global Players manövrieren können? Darf er in seinem journalistischen Leben wirklich nichts Größeres mehr erhoffen als eine Einladung zur Berichterstattung über die Hochzeit von Präsident Nixons Tochter?

Ach, seufzt er, die Washington Post bleibt halt auf ewig ein Hauptstadt-Provinzblatt. Dann aber wird der New York Times die weitere Publikation der Dokumente gerichtlich untersagt, und Bradlee wittert Morgenluft: Sein Redakteur Ben Bagdikian (Bob Odenkirk) ahnt die Identität des Whistleblowers und soll ihm die Pentagon-Papiere besorgen. Aber darf er sie überhaupt veröffentlichen, wenn seine Quelle doch vermutlich dieselbe ist? Riskiert er damit nicht Gefängnisstrafen, ja den Ruin der gesamten Zeitung?

Politthriller und Psychodrama

Die Washington Post ist nämlich finanziell nicht gerade gut aufgestellt und steht kurz vor dem Börsengang. Ein Prozess wegen Nichtachtung der einstweiligen Verfügung wäre genau das katastrophale Ereignis, das dem Unternehmen den Hals brechen könnte. Katharine "Kay" Graham (Streep) ist tief verunsichert. Als ihr depressiver Ehemann sich vor Jahren das Leben nahm, übernahm sie den Verlag, weil sie den Familienbetrieb, das Erbe ihres Vaters, nicht aus der Hand geben wollte. Und wurde so die erste Zeitungsverlegerin der Vereinigten Staaten – in den sechziger Jahren, als Frauen in Führungsetagen vor allem zwei Aufgaben hatten: gut aussehen und Schnittchen schmieren. Die vierfache Mutter ist Akademikerin und Journalistin, aber eben alles andere als ein Alphatier. Und jetzt diese Entscheidung, die Bradlee fordert...

Wie die beiden ungleichen Zeitungschefs, ein herrlich unromantisches Paar, miteinander darum ringen, ob sie nun drucken sollen oder nicht, das ist großes Schauspielerkino. Tom Hanks gibt Bradlee mit trotzig gerecktem Kinn und vor der Brust verschränkten Armen als Kraftpaket wie Meister Proper: ein hungriger, gnadenlos ehrgeiziger Macher, dem erst die eigene Frau bewusst machen muss, dass für Katharine weitaus mehr auf dem Spiel steht als für ihn selbst.

Zwischen Angst und Wut

Und Meryl Streep ist phänomenal als Verlegerin zwischen Angst und Wut, öffentlicher Verantwortung und privater Loyalität gegenüber Leuten wie ihrem alten Freund Robert McNamara (Bruce Greenwood). Schon die Kostüme (Ann Roth) markieren die höchst unterschiedlichen Rollenmuster, zwischen denen diese Frau sich positionieren muss: Für die Dame der Society ist das elegante Kostüm Pflicht, die Hausfrau und Mutter trägt Hahnentritt in schlichter Zurückhaltung, die Verlegerin aber, die am Morgen zu Hause zur Krisensitzung empfängt, signalisiert in einem prächtigen weiten Kimono, dass sie Kleiderordnung und Konventionen hinter sich gelassen hat, sich wie die Königin von Saba gewanden kann und auch sonst ihre Entscheidungen sui generis treffen.

Natürlich wird sie ihre Zeitung zum Drucken und nicht zum Ducken auffordern. Und beweisen, dass Zivilcourage auch eine weibliche Tugend ist. Die Geschichte – nachzulesen in Grahams pulitzerpreisgekrönter Autobiografie "Wir drucken!" – ist bekannt, aber der Film erzählt den Weg dahin als packenden Politthriller und pathetisches Psychodrama. Steven Spielberg zieht die Spannungsschraube kontinuierlich an, unterstützt vom sanft manipulativen Soundtrack (John Williams) und der stupenden Kamera (Janusz Kaminski).

Und wenn am Ende der Oberste Gerichtshof die Veröffentlichung der Pentagon-Papiere freigibt und die erhabenen Sätze zitiert werden von der Presse, die die Regierten zu schützen habe und nicht die Regierenden, dann ist die Gänsehaut im Kinosaal förmlich greifbar. Ja, der Meister der suggestiven Filmkunst zieht da auf der emotionalen Klaviatur alle Register.

Ja, man spürt die Absicht – und ist dennoch nicht verstimmt. Denn wann könnte man ein so brillant inszeniertes Plädoyer für Pressefreiheit und den Mut zur Aufklärung besser gebrauchen als in Zeiten von Fake News?

"Die Verlegerin" (Regie: Steven Spielberg) kommt am Donnerstag in die Kinos. (Ab 6)

Ressort: Kino

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mi, 21. Februar 2018: PDF-Version herunterladen

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