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Sozialer Zusammenhalt

Tag der Nachbarn: Wie BZ-Redakteure mit ihren Nachbarn leben

Kathrin Blum, Manuela Müller, Gerhard Walser, Alexander Dick, Joshua Kocher, Heidi Ossenberg, Franz Schmider, Christian Engel

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Fr, 25. Mai 2018 um 09:30 Uhr

Südwest

Der letzte Freitag im Mai ist den Menschen gewidmet, die nebenan wohnen oder arbeiten. Ziel ist es, die Menschen wieder verstärkt miteinander ins Gespräch zu bringen. BZ-Redakteure erzählen über ihre Erfahrungen mit ihren Nachbarn.

Hilfe vom Nachbarn kann nicht schaden. Um den sozialen Zusammenhalt zu stärken, hat eine Stiftung den Tag der Nachbarn ins Leben gerufen, der hierzulande am Freitag erstmals stattfindet. Foto: adobe
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Die Allzweckaushilfe

Es klingelt an der Tür. Der Nachbar grüßt freundlich – und druckst ein wenig herum. Er habe gesehen, dass wir – im Gegensatz zu ihm – eine Anhängekupplung am Auto haben. Und er wolle eine Duschwand kaufen. Ob mein Mann ihn am Samstag vielleicht eventuell freundlicherweise in den Baumarkt begleiten könnte? Zwei Tage später will der Verkäufer im Baumarkt ohne das Hinterlegen eines Ausweises keinen Anhänger rausrücken – da kann man aushelfen – an der Kasse reicht das Bargeld nicht für die fällige Kaution – wozu hat man einen Nachbarn? Nur wenige Minuten nach der Einkaufstour klingelt es an der Tür. Ob es wohl der Nachbar ist, der Hilfe beim Aufbauen braucht? Nein! Es ist die Nachbarin, die sich verschämt mit einer Flasche Sekt entschuldigt und dankend das ausgelegte Geld zurückgibt. Von Kathrin Blum

Die Adoptivoma

Kurz nach dem Umzug aufs Dorf gab es von der neuen Nachbarin einen Rüffel: Ich hatte mich ihr nicht vorgestellt. Was für ein Start! Zwölf Jahre später kullerten der gleichen Nachbarin bei unserem Auszug Tränen über die Wangen. Dazwischen wurde ich Mama und die Nachbarin eine Art Adoptivoma für unsere Jungs. Als sich die Geburt des zweiten Kindes ankündigte, klingelte ich um vier Uhr morgens bei der über 70-jährigen Frau. Die legte sich für den Rest der Nacht auf unser Sofa, weckte unseren Eineinhalbjährigen und brachte ihn in die Kita. Später, als die Kinder größer waren, deponierten wir regelmäßig das Babyphone bei der Nachbarin. Mittlerweile ist einer der beiden der Nachbarin schon über den Kopf gewachsen, und wir wohnen nicht mehr nebeneinander. Trotzdem wird sie immer die Adoptivoma unserer Kinder bleiben – Nachbarschaft hin oder her. Von Manuela Müller

Zuckerfest Feiern

Es wäre nicht nötig gewesen, aber unser Vermieter wollte ausdrücklich unser Okay: Ob wir es uns vorstellen könnten, dass er die leerstehende Vier-Zimmer-Wohnung über unserer Etage an eine siebenköpfige Flüchtlingsfamilie in der Anschlussunterbringung vergibt? Der Caritasverein habe ihn als Hausbesitzern angesprochen, ein Helferkreis werde den Neubürgern als Pate in Alltagsfragen wie Hausordnung, Putzdienst oder Mülltrennung zur Seite stehen. Unsere Erfahrungen mit über uns wohnenden Nachbarn waren in den vielen Jahren in einer Waldkircher Altstadtwohnung zwar nicht nur positiv – es konnte in einer lauen Sommernacht schon mal Wasser vom Balkon regnen, wenn sich die lärmempfindliche Pensionärin von Gesprächen bei einem Glas Wein mit Freunden gestört fühlte. Doch unsere spontane Zustimmung kam aus Überzeugung. Wir haben’s nicht bereut. Die Familie – syrische Kurden – ist äußerst höflich und hilfsbereit, die Kinder sind eben Kinder, aber auch nicht lauter als die ihrer Vorgänger. Und zum Abschluss des Ramadan gab’s im vergangenen Jahr eine Einladung zum Zuckerfest. Auf gute weitere Nachbarschaft. Von Gerhard Walser

Der Balljunge

Lucas Besuche sind unregelmäßig – und meist sehr kurz. Aber immer sehr angenehm, auch wenn sie jetzt nicht unbedingt meiner Person gelten. Klar, der Altersunterschied ist gewaltig. Mein junger Nachbar ist Sextaner – ein junger Gymnasiast. Was uns verbindet, ist eine Kugel von 20 Zentimeter Durchmesser – Lucas Fußball. Nicht dass wir mit- oder gegeneinander spielten; von meiner desaströsen Fußballerlaufbahn habe ich Luca nie erzählt, aber er kann sie sich sicher vorstellen. Doch manchmal landet das Spielgerät eben in unserem Garten. Dann kommt Luca, aber er stürmt nicht einfach über den Hof, sondern verkündet uns sein Anliegen. Immer freundlich, immer höflich. So geht gute Nachbarschaft. Danke, Luca! Kannst uns immer wieder besuchen kommen. Von Alexander Dick

Hinterm Vorhang

Vorgestellt haben meine zwei Mitbewohner und ich uns bei unseren Nachbarinnen noch nicht. Das haben wir auch nicht vor. Warum? Wir wohnen neben einem Bordell. Während oben der Staubsauger der Obermieter über den Fußboden rast und von nebenan der Geruch verbrannter Pfannkuchen herüberweht, finden hinter den samtroten Vorhängen eben andere Dinge statt. Wir haben uns mit dem einen wie dem anderen abgefunden. Bisher durften wir eher Freier kennenlernen, die sich in unseren Hauseingang verirren und dann – auf ihre mangelnde Ortskenntnis hingewiesen – peinlich berührt abdrehen. Spannend ist unsere Nachbarschaft inzwischen nur noch für Freunde, die zu Besuch kommen. Für uns ist es eine Nachbarschaft wie jede andere. Von Joshua Kocher

Der Überwacher

Als ich auf die Schwäbische Alb zog, war ich schon mit den Mentalitäten unterschiedlichster Nachbarn vertraut: Westfalen, Oberfranken, Bayern, Schwaben und Unterländer. Aber die Mischung aus pedantisch-spießig-geizig lernte ich erst in dieser Kleinstadt im Alb-Donau-Kreis kennen. Die Miete für die Zweizimmer-Wohnung war eigentlich spottbillig – hätte ich zusätzlich einen Blockwart zahlen müssen, hätte ich viel tiefer in die Tasche greifen müssen! Diese Aufgabe aber nahm mein Vermieter-Nachbar überaus engagiert selber wahr: Ohne Aufpreis überwachte er, dass ich die Mülltonne nur dann an die Straße zur Abholung stellte, wenn sie auch wirklich randvoll war. Eines Tages war sie das wohl nicht – und mein Nachbar, bereits über 70, stieg in die graue Tonne, trampelte meinen Hausmüll nieder und rollte den Behälter zurück vors Haus. "Du schmeißt Dein Geld raus", rügte er mich erbost, "da passt noch Müll rein!" Unser nachbarschaftliches Verhältnis war von Stund an ziemlich gestört. Von Heidi Ossenberg

Der Fremde

Ich hatte mit einer Ausnahme – die war in Freiburg! – stets das Glück, mit den Nachbarn ein unkompliziertes, oft auch ein freundschaftliches, an einigen meiner zahlreichen Adressen gar ein herzliches Verhältnis zu haben. Was nicht unwichtig ist für die Bewältigung des Alltags und das Lebensgefühl. Und dann gibt es da noch den Nachbarn, zu dem ich gar kein Verhältnis habe. Meine Grüße bleiben seit Jahren meist unbeantwortet, beim Bäcker stehen wir hintereinander in der Schlange, als stammten wir von zwei Planeten. Wir hatten noch nie Ärger, das ist angenehm, aber miteinander gesprochen haben wir in fast 20 Jahren noch nie. Allenfalls mit seiner Frau oder seiner Schwiegermutter. Ich beobachte allerdings belustigt bis irritiert den Parkplatzstreit, den er mit dem gemeinsamen Nachbarn (eine sehr freundliche und hilfsbereite Familie) hat, der bisweilen kafkaesk-absurde Züge hat, weil Autos nur rangiert werden, um dem anderen den Platz zu verstellen. Das Ganze geschieht absolut wortlos. Käme morgen die Polizei und würde mich nach dem Mann befragen, ich müsste gestehen: Er ist ein Fremder! Ich weiß nichts! Von Franz Schmider

Die Abschotter

Wenn man ein Kind bekommt, bringt das scheinbar nicht nur Veränderungen in den eigenen vier Wänden mit sich, sondern auch in denen der Nachbarn. In der ersten Nacht unserer Tochter in unserem Schlafzimmer war auch das eine oder andere Dezibelchen Kindergeschrei dabei. Die Nachbarn reagierten am frühen Morgen auf ihre Art, sie wurden ähnlich laut wie unser Baby. Mit Bohrern und Hämmern werkelten sie über Stunden, woraufhin wir uns vorstellten, sie würden direkt zusammenpacken oder ihr Schlafzimmer in die Küche verlegen – oder das volle Programm fahren: eine gigantische Schallschutzmauer zwischen uns und ihnen errichten. Was die Nachbarn an jenem Morgen genau getan haben, wissen wir bis heute nicht – sie sind bald darauf weggezogen. Von Christian Engel
Tag der Nachbarn

Sich begegnen – egal wie und wo

Erstmals trafen sich 1999 in Paris bewusst Menschen in ihren Stadtteilen, um die Anonymität aufzubrechen und gemeinsam ein Fest der Nachbarn zu feiern. Die Idee fand im folgenden Jahr frankreichweit Nachahmer, die Feste erfreuten sich einer großen Beliebtheit. Im Jahr 2004 griff der Europäsche Rat die Idee auf und rief den "Europäische Tag der Nachbarschaft"aus. Seither ist der letzte Freitag im Mai im Kalender fest vorgemerkt, Nachbarschaftsfeste gibt es unterdessen in 36 europäischen Ländern. Im vergangenen Jahr haben sich nach Angaben der Initiatoren 30 Millionen Menschen in Europa an den Aktionen beteiligt. In Deutschland wirbt die Stiftung nebenan.de für den Tag der Nachbarn am 25. Mai – Veranstalter sind die Menschen selbst, inklusive ihrer Nachbarn. Was sie auf die Beine stellen, ist ihre Sache: Ob Hocks, Straßenfeste, Grillabende oder Spielnachmittage, ob gemeinsames Beten, Wandern, Sport treiben oder im Liegestuhl liegen, alles ist erlaubt. Aktiv werden können Hausgemeinschaften ebenso wie ganze Quartiere, Vereine, Belegschaften oder Kirchengemeinden. Das Was ist Nebensache, es kommt nur darauf an, dass sich Nachbarn begegnen. Inspiration gibt es auf der Webseite der Stiftung, dort kann, wer will, seine Aktion auch melden. Unterstützt wird der Nachbarschaftstag unter anderem vom Städtetag, dem Familienministerium, der Fernsehlotterie und der Diakonie.

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Ressort: Südwest

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