Account/Login

Hamburg

"Wunder von Bern" eröffnet als Musicaltheater

  • Di, 25. November 2014, 00:01 Uhr
    Theater

"Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen – Rahn schießt …" Jubel brandet auf, begeistert erhebt sich das Publikum von seinen Plätzen – nein, nicht im Berner Wankdorfstadion, sondern im Hamburger Stage Theater an der Elbe.

Spektakuläres WM-Finale auf der Bühne:...Das Wunder von Bern“ in Hamburg   | Foto: dpa
Spektakuläres WM-Finale auf der Bühne: Szene aus dem Musical „Das Wunder von Bern“ in Hamburg Foto: dpa
Der "Toooor"-Schrei des legendären Radioreporters Herbert Zimmermann geht fast unter im Beifall der 1850 Premieren-Besucher. Gänsehaut pur in der 50 Millionen Euro teuren Spielstätte, doch das keineswegs nur ob der historischen Live-Reportage des Fußball-WM-Finales von 1954: Denn just im Moment des dramaturgisch-sportlichen Höhepunkts des Musicals "Das Wunder von Bern" sorgen auch Regisseur Gil Mehmert und sein Team für unvergessliche Eindrücke.

Eingespannt in von der Decke hängenden Gurten spielen die Darsteller der Kicker, scheinbar auf der zum Fußballfeld umgewandelten LED-Rückwand der Bühne laufend, die entscheidenden Szenen in der Vertikale im freien (Luft-)Raum nach. Spektakulär – und doch ist diese Idee am Ende nur ein weiterer, wenn auch gewichtiger Spielzug in einem höchst stimmigen Gesamtkonzept. Die eigentliche Geschichte ist seit Sönke Wortmanns gleichnamigem Kinofilm wohl bekannt: Im Mittelpunkt steht der neunjährige Matthias Lubanski aus dem Ruhrpott, dessen Vater Richard 1954 aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrt und feststellen muss, dass er und seine Familie sich in den vielen Jahren entfremdet haben. Zwei Welten prallen da aufeinander: Hier der traumatisierte Soldat, der mit der Rock’n’Roll-Begeisterung seines älteren Sohnes Bruno ebenso wenig anzufangen weiß, wie mit der Fußball-Leidenschaft des jüngeren, der dem "Boss" Helmut Rahn daheim bei Rot-Weiß Essen die Sportsachen trägt. Dort die Ehefrau und die Tochter, die gemeinsam die Kneipe "Christas Eck" betreiben und sich plötzlich mit dem Familienoberhaupt-Anspruch ihres Mannes und Vaters konfrontiert sehen. Wie Wortmann setzen auch die Musical-Macher auf die bewegende Vater-Sohn-Geschichte – und landen damit einen Volltreffer.

15 Millionen Euro teure Eigenproduktion

Natürlich sind da wie immer bei den Produktionen des Musical-Riesen Stage Entertainment (SE) die beeindruckenden Bühnenbilder mit rauchenden Ruhrpott-Schloten im Hintergrund oder Schweizer Bilderbuch-Panoramen; schmissig-witzige Choreographien mit der Herberger-Elf und Trickfußballern, rasche Szenenwechsel sowie geschickte Übergänge zwischen schwarz-weißen Originalbildern und knallig-bunten Petticoats. Doch vor allem hat Mehmert zwei Co-Trainer an seiner Seite, die die bekannte Geschichte in ein einzigartiges Musical-Erlebnis verwandeln: Frank Ramond – der sonst für Ina Müller, Annett Louisan und Roger Cicero schreibt – erzählt in seinen Songtexten nämlich nicht nur sehr emotional die Annäherung von Vater und Sohn, ihm gelingt es zudem, in seinen Zeilen ein Stück Zeitgeschichte erfahrbar zu machen, ohne dabei ins Platte oder Pathetische abzugleiten. Und Martin Lingnau hat hierzu eine Musik komponiert, die sich verschiedenster Genres und Stile bedient, schlichte Balladen und temporeiche Beats klug verbindet, ohne auch nur eine Nummer lang das Gefühl "Tausendmal gehört" aufkommen zu lassen. Anders als beim Schiffbruch mit der "Titanic" oder dem "Schuh des Manitu" könnte mit diesem Stück vertonter Zeitgeschichte die Rechnung für die 15 Millionen Euro teure Eigenproduktion diesmal aufgehen, sagt Jürgen Schmude, Professor für Wirtschaftsgeographie und Tourismusforschung. "Auf dem deutschen Markt funktionieren Themen, die wie hier Schicksale und Historie aufbereiten."

Mit dem 50 Millionen Euro teuren Neubau an der Elbe hat die SE nicht nur ihre vierte Spielstätte in der Hansestadt eröffnet, sondern auch die Basis für bis zu 650 000 zusätzliche Besucher pro Jahr gelegt. Das Publikum dürfte nicht allein ob des Musicals in Scharen in den mit 7500 Edelstahlschindeln bedeckten Bau strömen: Bietet sich doch aus der bis zu zwölf Meter hohen Glasfassade des zweigeschossigen Foyers am Abend ein imposanter Blick über die Elbe auf Hafen und Skyline der Stadt samt der benachbarten Elbphilharmonie.

Weitere Infos und Tickets unter      http://www.stage-entertainment.de

Ressort: Theater

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 25. November 2014: PDF-Version herunterladen

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel