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"Mit der Zeitung kommt die Welt ins Klassenzimmer"

Yvonne Weik

Von

Sa, 25. Oktober 2014

Wir über uns

BZ-INTERVIEW mit Andreas Lutz, Medienpädagoge an der Pädagogischen Hochschule, der das Zisch-Projekt jahrelang begleitete.

Andreas Lutz   | Foto: Schneider
Andreas Lutz Foto: Schneider

Kinder lesen Zeitung: Mehr als 53 000 Viertklässler waren in den vergangenen zehn Jahren beim Projekt "Zeitung in der Schule" (Zisch) dabei. Medienpädagoge Andreas Lutz von der Pädagogischen Hochschule hat Zisch begleitet. Yvonne Weik sprach mit ihm – über Nachrichten für Kinder, Leseverhalten und B. Zetti.

BZ: Immer wieder hört man: Die Zeitung ist bei Kindern und Jugendlichen out, Smartphones und Internet sind in. Wieso braucht die BZ denn ein Zisch-Projekt?
Lutz: Um das Internet zu lernen (lacht). Mit der Zeitung können nämlich schon Grundschüler erfahren, was öffentlich und privat ist. Denn bei Zisch lesen Schüler ja nicht nur, sie schreiben auch selbst. So lernen sie ganz praktisch zu unterscheiden, welche Inhalte für die Öffentlichkeit geeignet sind. Auch für das Verhalten in sozialen Netzwerken ist das wichtig. Zum Beispiel müssen sich Jugendliche auf Facebook fragen, wie sie dort erscheinen wollen.

BZ: Anfangs gab es Bedenken bei Redakteuren, Eltern und Lehrern: Grundschüler verstehen die Zeitung doch gar nicht, sagten einige. Wie haben Sie als Medienpädagoge das eingeschätzt?
Lutz: Als ich noch Lehrer war, habe ich das auch gedacht. Aber die Zeitung hat ja eine große Auswahl an Texten. Manche Grundschüler lesen zum Beispiel gerne die Seite "Aus aller Welt". Und für schwächere Schüler reicht es, erst mal nur Überschriften zu lesen. In unserem Medienzeitalter ist es wichtig, selektives Lesen zu lernen, und nicht jeden Text von vorne bis hinten. Auch im Internet muss man auswählen.

BZ:
Fürchten manche nicht auch, dass Themen wie Krieg, Gewalt und Tod Kinder überfordern?

Lutz: Mit der Zeitung kommt die ganze Welt ins Klassenzimmer. Das machte vielen Angst. Warum soll man Kinder mit solchen Themen belasten? Aber meine Erfahrung ist, dass schon Viertklässler über Themen sprechen, von denen Erwachsene denken, dass sie sie gar nicht wahrnehmen. Wenn man als Lehrer offen mit der Zeitung umgeht, kann man also profitieren: Man hat die Chance, die Diskussion pädagogisch zu begleiten – und die Kinder nicht alleine zu lassen.

BZ: Die BZ setzte früh auf B. Zetti, der täglich eine Nachricht erklärt. Wie wichtig ist so eine eigene Rubrik extra für Kinder?

Lutz: Ein solches Leseangebot ist sehr wichtig. Und das "Erklär’s mir" hat sich ja auch entwickelt. In der Anfangszeit untersuchte eine Kollegin, wie gut Grundschüler den Inhalt verstehen. Die Hälfte war damals zu schwer. Mittlerweile ist das Niveau kindgerecht. Und das "Erklär’s" mir ist ja nicht nur bei Kindern der Renner, sondern auch bei Erwachsenen.
BZ: Zisch startete in den Grundschulen, seit drei Jahren lesen auch 8. und 9. Klassen bei Zischup die Zeitung. Auch Sie haben sich dafür eingesetzt. Warum?
Lutz: Zum einen, weil das Thema Zeitung für diese Klassen im Bildungsplan steht. Und es ist immer besser, wenn im Unterricht mit dem Original gearbeitet wird, als mit Artikeln in Schulbüchern. Außerdem kann man mit den Jugendlichen üben, wie Nachrichten und Bilder wirken. Was ist sachlich, was ist objektiv? Die Zeitung ist die Grundlage für kritische Distanz.

BZ: Zehn Jahre Zisch: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Erfolge?

Lutz: Dass immer noch alle Projekte ausgebucht sind. Und noch etwas hat mich überrascht: Bei der Begleituntersuchung von Zischup kam heraus, dass Jugendliche mit ihren Großeltern über Themen wie Politik sprechen. Auch auf dem Schulhof in der Peergroup, also unter Gleichaltrigen, werden Zeitungsthemen diskutiert, die sonst nicht vorkommen. Das ist erstaunlich.

Ressort: Wir über uns

  • Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der BZ vom Sa, 25. Oktober 2014:
  • Zeitungsartikel im Zeitungslayout: PDF-Version herunterladen

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