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Gefahr in der Felssteinschlucht

  • Fr, 11. Juli 2014
    Zisch-Texte

Mia Oehmig hat mit den Reizwörtern E-Mail und Zirkusvorstellung eine Fantasiegeschichte geschrieben.

Oh je, das Pony ist weg. Da muss Hilfe her. Foto: Martin Pfefferle
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Gestern Mittag summte mein Computer und meldete mir, dass ich eine neue E-Mail bekommen hatte. Sofort öffnete ich die Mail und las sie durch: "Hallo John, hier ist Micky. Wir sind gestern mit unserem Zirkus hier angereist. Das Blöde ist, morgen ist schon die erste Zirkusshow. Kiwi, unser Zirkuspony, ist wahrscheinlich abgehauen. Es wurde schon auf dem ganzen Gelände nach ihr gesucht, aber ohne Erfolg. Wir brauchen ganz dringend deine Hilfe! Bitte komm’ so schnell wie möglich auf die große Wiese hinter der Pferdekoppel. Viele Grüße, Micky".

Nachdem ich den Text noch einmal durchgelesen hatte, sprang ich auf, rannte aus meinem Zimmer in den Flur, schnappte meine Jacke und schlug die Haustür hinter mir zu. So schnell ich konnte, joggte ich zur Pferdekoppel, ging darum herum und gelangte auf die große Wiese. Dort sah ich Micky, der zusammengesunken an einer großen Buche saß. Langsam ging ich auf ihn zu und setzte mich neben ihn. Er nuschelte mir ein leises "Danke" ins Ohr und stand dann ganz spontan auf.

Zusammen gingen wir zu den Ponys und Micky erzählte mir noch einmal alles ganz ausführlich. Gespannt hörte ich ihm zu, als er auf einmal meinte, Kiwi wäre schon einmal weggelaufen. An dieser Stelle unterbrach ich ihn und fragte, wohin er denn gelaufen sei. Micky sah mich an und sagte mit fester Stimme: "Weißt du, Kiwi gab es zwei Mal! Unsere erste Kiwi ist uns auch hier in der Gegend entlaufen. Mit der Zeit wird es teuer, sich andauernd neue Ponys zu kaufen." Angestrengt dachte ich nach: Wo könnten die Ponys nur hingelaufen sein? Gibt es einen Ort, wo sie gerne wären? Da kam mir eine Idee. Ich flüsterte sie Micky ins Ohr und wir rannten los.

Im Schlamm waren Hufspuren

In der Felssteinschlucht angelangt, sahen wir uns prüfend um. Hier hatten sich schon öfter Pferde verlaufen. Die großen Felsen ragten wie Türme in die Höhe, der Weg war schlammig und mit jedem Schritt versank man etwas in der braunen Brühe. Doch als ich plötzlich Hufspuren im Schlamm sah, wurde mir mulmig zumute. Was ging hier nur vor? Micky warf mir einen Blick zu, der wahrscheinlich sagen sollte: "Sollen wir gehen?" Ich nickte ihm zu. Langsam und vorsichtig stapften wir durch den Schlamm.

Auf einmal hörten wir eine laut schimpfende Stimme. Wir retteten uns zwischen einem Felsspalt und blickten ängstlich um die Ecke. Plötzlich sahen wir, wie ein großer, schlanker Mann mit einem Schnurrbart und einer Pfeife im Mund zu einem Gitter schlurfte. Dieses war vor einer Felshöhle aufgebaut. In diesem Moment hörten wir ein leises, jämmerliches Wiehern. Ich dachte, das könnte extrem gefährlich werden und tippte schnell eine SMS an meine Mutter. Darin stand, dass sie in Begleitung der Polizei in die Felssteinschlucht kommen sollte. Doch ich würde sie erst verschicken, wenn es gefährlich würde. Der Mann war bereits bei den Gitterstäben angekommen, wohinter es immer noch leise wieherte. Micky sah ängstlich aus und ich fragte, ob wir nach Hause gehen sollten. Er nickte schwach. Ich linste noch einmal vorsichtig um die Ecke.

Oh nein, mit einem Ruck drehte sich der Mann um und sah uns direkt in die Augen. Micky und ich erstarrten. Doch dies hielt nicht lange an, denn der Mann kam mit lautem Kriegsgeschrei auf uns zugestürmt. Ängstlich schaute ich Micky an, nahm ihn bei der Hand und rannte aus dem Felsspalt. Der alte Herr blieb uns dicht auf den Fersen. Das Handy in meinen Händen wurde heiß und feucht von meinem Schweiß. Ich sah auf das Display, worauf immer noch meine Notrufanzeige stand. Und da passierte es auch schon: Ich blickte nicht auf den Weg und fiel hin. Der Mann packte mich von hinten am Kragen.

Vor mir sah ich noch, wie Micky um die nächste Ecke bog. Anscheinend hatte er gar nicht gemerkt, dass ich gefangen wurde. Doch bevor ich weiter denken konnte, wurde ich schon um die nächste Ecke gezerrt. Ich wehrte mich aus Leibeskräften. Aber es half nichts, der Mann wurde langsam wütend, deshalb drehte er mir den Arm auf den Rücken. Es schmerzte gewaltig. Er entnahm mir das Handy mit meiner Notfall-SMS und steckte es sich in die Hosentasche. Dann packte er meinen Arm noch fester und führte mich in eine versteckte Felshöhle.

Plötzlich berührte mich eine weiche Nase

Die Höhle hatte verschiedene Gänge, der Mann nahm die rechte Abzweigung. Schon von weitem erkannte ich eine große Eisentür. Als der Mann sie aufschloss, quietschte sie verdächtig. Unvorsichtig stieß er mich auf den kalten Steinboden und ich schürfte mir das Knie auf. Blut drang aus der Wunde, doch ich blieb tapfer. Aber nach einer Weile konnte ich nicht mehr, langsam sank ich auf den harten Boden und ließ meinen Tränen freien Lauf. Plötzlich fühlte ich eine weiche, feuchte Nase an meiner Stirn. Ich blickte auf und sah in ein hellbraunes Ponygesicht. Da war auch ein weiteres Pony, es war kleiner und wohl auch jünger. Das mussten die zwei Kiwis sein. Ich wollte mich hinstellen, bekam es aber nicht hin. Entschuldigend blickte ich in die Ponygesichter. Vorsichtig zog ich mich an der Türklinke hoch, um mein Bein nicht zu sehr zu belasten. Als ich stand, spürte ich den Schmerz zum Glück fast nicht mehr.

Die junge Kiwi trottete auf mich zu, sie stellte sich so hin, dass ich aufsteigen konnte. Aufmunternd wieherte sie mir zu und ich stieg auf. In diesem Moment schlug die Eisentür auf und der grimmig guckende Mann trat mit einem fiesen Blick in die Höhle. Erschrocken zuckte ich zusammen, auch die Ponys wieherten ängstlich. Doch da schnaubte die große Kiwi und lief mit einem Affentempo auf den Mann zu. Dies hatte der natürlich nicht erwartet. Und auch die kleine Kiwi, auf der ich saß, jagte durch die Tür ins Freie. Der Mann, der schnell auf die Seite gesprungen war, sah ihnen entsetzt und zugleich verblüfft nach. Ich musste mich extrem gut auf Kiwi festhalten, die immer noch wie der Blitz hinter ihrer Gefährtin herlief. Wir verließen die Schlucht und kamen mit lautem Pferdehufgeklapper auf die Zirkuswiese zugelaufen.

Micky fiel mir vor Freude um den Hals

Nachdem ich abgestiegen war, ging ich zu Mickys Wohnwagen und klopfte an. Die Tür wurde sofort aufgerissen und Mickys Gesicht kam zum Vorschein. Als er mich und die Ponys erblickte, fiel er mir vor Freude um den Hals. Er bedankte sich überglücklich und zog mich zum Wagen des Zirkusdirektors. Der meinte, ich hätte mir eine Überraschung verdient und reichte mir eine Freikarte für den Zirkus am nächsten Nachmittag. Ich bedankte mich und meinte, dass wir dringend die Polizei verständigen sollten, bevor der Ponydieb abgehauen war. Das ließ sich der Zirkusdirektor nicht zweimal sagen und wählte entschlossen die Notrufnummer.

Nach genau sechs Minuten und 13 Sekunden kam die Polizei mit ihrem Streifenwagen angefahren. Zusammen erzählten Micky und ich von der gefährlichen Aktion. Da erblickte einer der Polizisten meine Wunde am linken Knie und verband sie mit einer Binde, die ihm der Direktor netterweise gegeben hatte. Gemeinsam fuhren wir mit dem Polizeiauto in die Felssteinschlucht. Der Zirkusdirektor, Micky und ich blieben im Wagen sitzen, da es zu gefährlich für uns war. Nach einer halben Ewigkeit kamen die Polizisten mit dem Mann wieder, der jetzt Handschellen trug. Sie führten ihn zum Auto und baten uns, wieder zurückzugehen. Der eine Polizist reichte mir mein Handy, das er in der Tasche des Mannes gefunden hatte. Er lächelte mir zu und bedankte sich für meine gute Arbeit. Auf der Zirkuswiese verabschiedete ich mich von Micky und dem Zirkusdirektor. Morgen sollte ich ja wieder kommen, um mir die Zirkusvorstellung anzusehen. Glücklich lief ich nach Hause und freute mich, was ich heute Tolles gemeistert hatte.

Ressort: Zisch-Texte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 11. Juli 2014: PDF-Version herunterladen

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