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Meine Flucht nach Deutschland

  • Sima Haddad

  • Fr, 29. November 2013
    Zisch-Texte

Drei Viertklässler aus der Anne-Frank-Grundschule Freiburg erzählen, wie sie aus ihren Heimatländern nach Deutschland flohen.

Dieses syrische Flüchtlingskind kam wi...am mit dem Flugzeug nach Deutschland.   | Foto: dpa
Dieses syrische Flüchtlingskind kam wie Sima und Liam mit dem Flugzeug nach Deutschland. Foto: dpa

Sima und Lian Hadda kommen aus Syrien. Nima Rads Heimat ist der Iran. Alle drei Viertklässler der Anne-Frank-Grundschule mussten ihre Heimat verlassen. Sima und Lian flohen, da in Syrien ein Krieg ausgebrochen ist. Nima kam mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter nach Freiburg. Wie viel Angst die Kinder hatten und was in ihrer Heimat anders war als in Deutschland, erzählen sie hier.

Ich bin vor über einem Jahr, im Juli 2012, zusammen mit meiner Mutter, meiner großen Schwester (18 Jahre) und meinem ein Jahr jüngeren Bruder nach Deutschland geflüchtet. Das war eine lange Reise. Ich erzähle sie euch:

Zuerst sind wir von Homs zu meinem Onkel Bassel gefahren. Er wohnte in einer neuen Wohnung in einem Dorf. Dort waren wir ungefähr ein bis zwei Wochen. Weil es in Homs zu gefährlich für uns war, hat mein Papa einige Sachen, die er tragen konnte, zu meinem Onkel gebracht. Leider konnte mein Vater nicht mitkommen, weil das Geld nicht gereicht hat. Auf Dauer konnten wir aber nicht bei meinem Onkel bleiben. Darum sind wir zu meiner Oma gegangen. Sie lebte in einem anderen Dorf. Wir hatten dort eine eigene Wohnung und sind zur Schule gegangen. Wir haben ein Jahr dort gewohnt und hatten auch viele Freunde. Ich hatte eine beste Freundin, sie hieß Anjel. Die mochte ich sehr. Sie hatte eine große Schaukel, da haben wir mit vielen Kindern gespielt.

Plötzlich konnte man nicht mehr zurück nach Homs und niemanden mehr besuchen. Unser Haus wurde beschossen. Es gab ein großes Loch in der Wand. Wir sind erst mit dem Flugzeug nach Bulgarien geflogen. Da blieben wir ungefähr zwei Wochen bei einem Onkel. Von dort sind wir mit dem Auto geflüchtet. Denn wir durften nicht mit dem Flugzeug weg.

Zuerst reisten wir nach Rumänien, dort hat uns ein netter Schlepper eine Nacht bei ihm schlafen lassen. Wir haben geübt, wie wir uns verstecken können. Ich hatte große Angst und konnte nicht schlafen. Mein Bruder und ich mussten uns unter einem Rock verstecken. Damit sind wir über eine Grenze. Wir waren ganz lange in einem Auto drin. Als wir ankamen, war ich mir nicht sicher, ob ich froh sein soll, in Deutschland zu sein, oder traurig.
Meine Heimat
Syrien

In Syrien konnten wir sehr gut leben. Die Städte waren sehr schön. Ich komme aus der Stadt Homs. Wenn wir zur Schule gehen sollten, gingen wir einfach unten auf die Straße. Dort warteten wir, bis der Bus kam. Es gab keine Straßenbahn und keine Haltestellen.

Wenn der Bus die Kinder abholen sollte, standen die Kinder einfach an der Straße und der Bus hielt bei ihnen an. Der Schulhof sieht in Syrien ganz anders aus. Es ist ein Hof mit einer Mauer und einem Tor. Wenn man zu spät kommt, ist das Tor zu. Man kommt nicht mehr rein. Aber wenn man die Klingel drückt, dann kommt eine Erzieherin und macht die Tür auf. Ich war aber nie zu spät in Syrien.

In meinem Klassenzimmer sah es genau gleich aus wie hier. In der Klasse war es sehr schön, ich hab immer gute Noten bekommen. In der Schule auf dem Hof gab es einen kleinen Kiosk. Da konnte man kleine Salzstangen kaufen. Die waren lecker. Weil wir keine Trinkflaschen hatten, gab es viele Wasserhähne im Hof, aus denen man mit Wasserbechern trinken konnte. Aber wir mussten die Schule verlassen, weil auf der Straße eine Demonstration war und meine Eltern wussten, dass es Krieg geben sollte. Auch vor unserem Haus waren ganz viele Menschen auf der Straße. Sie haben geschrien: "Wir wollen diesen Präsident nicht." Manche wollten, dass er Präsident bleibt, deshalb fing der Krieg an. Es wurde auch geschossen. Sogar auf unser Haus. Ich wusste nicht, was da draußen passiert und auch nicht wieso. Ich wollte unbedingt auf den Balkon gehen. Aber unten waren viele Leute und das war gefährlich, denn sie waren bewaffnet. Wir mussten leider unsere Heimat verlassen und nach Deutschland kommen.

Das war schwierig. Wir sind mit dem Auto nach Libanon gefahren, aber wir wollten weit weg von Syrien sein und dann sind wir nach Istanbul zum Flughafen gefahren. Da wollten wir nach Bulgarien fliegen, aber das hat nicht geklappt. Wir wurden in den Libanon zurückgeschickt. Dort sind wir von Libanons Flughafen nach Bulgarien geflogen. Da wohnt mein Onkel. Er hat uns dort abgeholt und zu seiner Wohnung gebracht. Von dort sind wir über Rumänien nach Deutschland gekommen.
Eine neue
Sprache lernen

Als wir neu in Deutschland waren, konnten wir kein Deutsch sprechen. Meine Muttersprache ist Persisch. Ich musste alle Buchstaben neu lernen. Und wir hatten eine andere Schreibrichtung. Wir schrieben Farsi von links nach rechts. Wir mussten uns in Deutschland mit Zeichensprache verständigen. Meine Oma wollte etwas zum Abschminken für die Augen kaufen, das war sehr schwierig. Aber sie hat es geschafft.

Und jetzt übersetze ich für meine Mutter und Oma. Meine Freunde sind im Iran geblieben. Ich hatte dort viele Freunde. In Karlsruhe waren wir fünf Monate in einem Wohnheim. Danach sind wir nach Freiburg umgezogen. Dort wohnt ein Cousin. Trotzdem mussten wir in die Bissierstraße gehen. Das ist auch ein Wohnheim.

Ich wohne mit meiner Mutter und meiner Oma in einem Zimmer. Unser Zimmer sieht hässlich aus, obwohl meine Muter es putzt, stinkt es immer noch. Ich bin gar nicht gerne dort.

Meine Mutter geht auch in eine Schule, sie lernt auch Deutsch. Ich bin in der Anne-Frank-Grundschule bei Lina Kettler. Dort habe ich viele Freunde. Wir sind ein Jahr in Deutschland, meine Oma kann noch kein Deutsch. Für meine Oma ist es noch sehr schwer, Deutsch zu reden. Ich fühle mich in Deutschland gut und bin eigentlich gerne hier und vermisse den Iran nicht.

Ressort: Zisch-Texte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 29. November 2013: PDF-Version herunterladen

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