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"Viele gucken, wenn man mit einem Huhn im Wartezimmer sitzt"

Marie Siebert, Klasse 4a, Schneeburgschule, Freiburg-St. Georgen

Von Marie Siebert, Klasse 4a, Schneeburgschule & Freiburg-St. Georgen

Fr, 24. November 2017

Zisch-Texte

ZISCH-INTERVIEW mit Lisa Nusser aus Kirchzarten, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, für ein besseres Leben von Tieren zu kämpfen.

Lisa Nusser (hi.) und Marie Siebert   | Foto: Privat
Lisa Nusser (hi.) und Marie Siebert Foto: Privat

Lisa Nusser lebt auf einem Bauernhof in Kirchzarten und nimmt regelmäßig Tiere auf, die sonst geschlachtet werden würden, oder die sonst keiner mehr haben will. Zisch-Reporterin Marie Siebert aus der Klasse 4a der Schneeburgschule in Freiburg-St. Georgen hat sie interviewt.

Zisch: Wie viele und welche Tiere in Not hast du in deinem Leben schon gerettet?
Nusser: Sehr viele, meist Kaninchen, aber auch schon Ziegen, Schweine, Ponys, Katzen...

Zisch: Welche Tiere leben im Moment bei dir, die du gerettet hast?
Nusser: Im Moment leben bei uns vier Pferde und Ponys, vier Kaninchen, sieben Hühner, ein Hahn, zwei Schweine und vier Ziegen. Wenn es geht, schaue ich, dass ich die aufgenommenen Tiere weiter an gute Plätze vermittle, weil es jedem Tier am besten geht, wenn man ihm viel Aufmerksamkeit schenkt, und ich leider nicht unbegrenzt Platz und Geld habe.

Zisch: Wie waren die Tiere denn in Not?
Nusser: Sie sollten geschlachtet werden, ihre Besitzer haben sie vernachlässigt oder sie waren krank oder "übrig".

Zisch: Bekommst du irgendwoher Gelder, um das Ganze zu finanzieren?
Katja: Ein Pony hat eine Patenfamilie, eine Familie, die regelmäßig etwas zahlt, um dem Pony zu helfen.

Zisch: Hast du Unterstützung von anderen Menschen?
Katja: Ja, sehr viel. Ganz viele Kinder, vor allem Mädchen, kommen regelmäßig und helfen mir bei der Versorgung der Tiere. Manchmal bieten wir Ponyreiten auf Veranstaltungen an, da bin ich auch auf ihre Unterstützung angewiesen, sie machen das toll. Mit dem Erlös zahlen wir dann die Tierarztrechnungen, oder wir spenden ihn an eine Tierschutzorganisation, damit die den Tieren helfen können, denen wir nicht helfen können. Vor ein paar Jahren haben viele Kinder vom SOS-Kinderdorf in Sulzburg mit mir Dinge für den Weihnachtsmarkt gebastelt, Flyer verteilt, auf denen sie auf Tierschutzthemen hingewiesen haben und den Erlös für die "Animals Angels" gespendet, eine Organisation, die sich gegen Schlachttransporte engagiert.

Zisch: Seit wann kümmerst du dich um Tiere in Not?
Nusser: Seit ich denken kann, wollte ich Tieren helfen und habe es, wenn immer möglich, getan. Schon auf dem Schulweg habe ich die Regenwürmer und Nacktschnecken vom Radweg aufgesammelt, damit sie nicht überfahren werden.

Zisch: Wie bist du zu dieser Leidenschaft gekommen?
Nusser: Daran kann ich mich nicht erinnern, aber ich wünsche mir, dass es auch für meine Tochter später selbstverständlich ist, jedem Wesen, ob Mensch oder Tier, das sich nicht selber helfen kann, zu helfen.

Zisch: Welche Erfahrung hast du mit dieser Art von Tieren gemacht? Sind sie anders als andere?
Nusser: Viele sind verstört und brauchen lange, um wieder einem Menschen zu vertrauen. Oft kämpfen sie noch Jahre mit ihren Ängsten. Meine große Stute zum Beispiel hat immer noch Angst, wenn sich jemand schnell bewegt oder hektisch wird. Andere, die einmal zu wenig zu essen hatten, haben immer noch Angst zu verhungern und fressen sehr hastig und viel. Das Fohlen, das letzte Woche vom Schlachter gekommen ist, tritt leider immer wieder aus. Er war mit vielen anderen, größeren Pferden auf zu engem Raum und hat jetzt Angst, wenn etwas von hinten kommt, weil es die anderen Pferde ziemlich gescheucht haben.

Zisch: Wie fühlst du dich, wenn du ein Tier in Not siehst?
Nusser: Das tut mir weh und verfolgt mich lange. Obwohl ich schon viel gesehen habe, gewöhnt man sich nie daran, wie schlecht Tiere oft behandelt werden.

Zisch: Was würdest du dir für die Tiere und für dich für die Zukunft wünschen?
Nusser: Natürlich wünsche ich mir für jedes Tier, dass es artgerecht leben darf und nicht leiden muss. Für mich wünsche ich mir, dass ich das zumindest denen, die ich bei mir behalte, ermöglichen kann.

Zisch: Gibt es etwas, was die Politik oder Gesellschaft ändern müsste?
Nusser: Da könnte man Seiten darüber schreiben. Wichtig wäre es, dass die Leute sich Gedanken darüber machten, was sie essen. Wenn ich billiges Fleisch esse, kann das Tier kein schönes Leben gehabt haben.

Zisch: Woher kommen die Tiere, die du gerettet hast?
Nusser: Zum Teil von Bauernhöfen, von Tierschutzorganisationen, viele Kaninchen habe ich schon von Familien bekommen, wo die Kinder keine Lust mehr auf ihre Haustiere hatten oder sich nicht mehr richtig darum gekümmert haben. Allein von diesen armen Tieren, die oft vor den Ferien abgegeben werden, habe ich schon sicher 20 Stück aufgenommen, mit einem Partner vergesellschaftet und wieder in gute Hände vermittelt. Oft habe ich schon Stallhasen aufgenommen, die geschlachtet werden sollten, sie haben mir so leidgetan in den engen Käfigen.

Zisch: Gehst du mit den Tieren zum Tierarzt oder kommt er zu dir?
Nusser: Das kommt darauf an, welches Tier krank ist. Mit den Kleineren gehe ich zum Arzt. Wenn eine Kuh oder ein Pferd verletzt oder krank ist, kommt der Tierarzt zu uns. Obwohl viele Leute komisch schauen, wenn man mit einem Huhn im Wartezimmer sitzt. Hühner werden leider immer noch meist einfach getötet, wenn sie etwas haben.

Zisch: Gibt es Tierarten, die du besonders oft rettest?
Nusser: Am meisten waren das bis jetzt Kaninchen. Natürlich würde ich gerne jedem Tier helfen, aber bei großen Tieren sind Kosten und Platzanspruch natürlich viel höher. Dann muss ich leider oft sagen, dass ich ein Tier nicht nehmen kann.

Ressort: Zisch-Texte

  • Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der BZ vom Fr, 24. November 2017:
  • Zeitungsartikel im Zeitungslayout: PDF-Version herunterladen

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