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"Als Künstler sind sie authentisch"

  • Do, 07. Juli 2016
    Theater

BZ-INTERVIEW mit Sejad Ademaj, der im Freiburger E-Werk die neue Reihe "Comedy Komplott" organisiert.

Sejad Ademaj   | Foto: Klötzer
Sejad Ademaj Foto: Klötzer

Sejad Ademajs Lebenslauf ist bewegt: Kurz nach seiner Geburt 1991 in Montenegro flüchtete die siebenköpfige Roma-Familie vor dem Krieg in Ex-Jugoslawien und landete in Freiburg. Es folgten Hauptschule, Mittlere Reife und Abitur, 2012 dann eine Lehre als Veranstaltungskaufmann im Freiburger E-Werk. Jetzt studiert er Mediengestaltung in Offenburg – und organisiert parallel die neue Reihe "Comedy Komplott" mit jungen Comedians. Marion Klötzer sprach mit ihm über Idee und Konzept.

BZ: Herr Ademaj, was sind Ihre Ziele bei diesem Comedy- Format?
Ademaj: Erst einmal will ich jungen Menschen Spaß an Kultur vermitteln und sie ins E-Werk bringen. Stand-up-Comedy kann da ein Schlüssel sein: Ganz unterschiedliche Menschen kommen zusammen und lachen gemeinsam, da geht’s nicht um große Politik, sondern um Alltagsthemen, die jeden berühren. Herkunft und Bildungsabschluss sind dabei völlig egal.
BZ: Wie treffen Sie die Auswahl für "Comedy Komplott"?
Ademaj: Lange Zeit war die Comedy-Szene vor allem von deutschen Künstlern dominiert, mittlerweile sind auch immer mehr Migranten dabei. Ich habe früher mit meinen Geschwistern viel Migranten-Comedy geschaut – oft waren wir enttäuscht: Die meisten dieser Comedians waren angepasst an die Norm und Erwartungen der Mehrheitsgesellschaft. Um 2010 herum gab es dann eine Welle neuer Stimmen: Künstler wie Abdel Karim oder Marek Fis erzählen zugespitzt von persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen, die viele Migranten kennen und bieten damit die Möglichkeit, sich zu identifizieren. Ein wichtiges Mittel ist da die Impro-Comedy: Bei einem Künstler wie Akbarzadeh steht nicht die vorbereitete Show im Vordergrund, sondern je nach Publikumsreaktionen verläuft jeder Abend anders.
BZ: Also gibt es in puncto Migranten-Comedy mehr Selbstverständlichkeit und Selbstbewusstsein?
Ademaj: Ja, diese zweite und dritte Migrantengeneration hat einen anderen Weg zur Bühne zu kommen: Sie werden nicht durch Kleinkunstpreise bekannt, sondern über die sozialen Netzwerke und ihre Community. Vor allem aber sind sie als Künstler authentisch: Was sie erzählen, hat ganz direkt mit ihrer Biografie und Realität zu tun. Dabei sind sie provokativ, halten der Gesellschaft den Spiegel vor und karikieren Stereotype und Vorurteile so, dass man gemeinsam darüber lachen kann.
BZ: Gibt’s da nicht nur Insiderwitze?
Ademaj: Nein. Idil Baydar zum Beispiel ist ja politisch sehr engagiert, als Bühnenfigur Jilet Ayse gibt sie aber eine 18-Jährige Berlinerin aus Kreuzberg, die in Jugendsprache naiv, uneinsichtig und aggressiv gegen alles wettert, was ihr tagtäglich begegnet. Das ist ein Perspektivenwechsel, der für alle nachvollziehbar und sehr witzig ist. Und somit auch spannend für deutsches Publikum. Im Dezember kommt sie dann noch einmal mit Faisal Kawusi zur Show "Apfelstrudel trifft Baklava". Und im nächsten Jahr geht es weiter…

Jilet Ayse: "Deutschland, wir müssen reden!" 8. Juli, 20 Uhr, E-Werk, Freiburg.

Ressort: Theater

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 07. Juli 2016: PDF-Version herunterladen

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