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Zischup-Interview

"An einer Ganztagesschule sollten alle teilnehmen"

  • Marvin Wisser, Klasse 9a & Schulzentrum Oberes Elztal

  • Mo, 13. März 2017, 16:36 Uhr
    Schülertexte

Darüber, wie es momentan um die Grundschule Prechtal steht, sprach Marvin Wisser mit Schulleiter René Bauer. Marvin Wisser ist Schüler der Klasse 9a des Schulzentrum Oberes Elztal in Elzach.

Zischup: Wie sind Sie auf den Beruf Lehrer gekommen und was hat Sie inspiriert?
Bauer: Ich wollte schon immer mit Kindern arbeiten. Meine Überlegungen reichten von der Kinderkrankenpflege bis zum Kinderarzt und vom Erzieher bis zum Lehrer. Weil ich aber damals noch relativ jung war, wurde mir von meinen Eltern nahegelegt, doch erst einmal etwas Rechtes zu lernen. Und das Richtige war dann der Beruf des Industriekaufmannes. Diesen Beruf habe ich dann bis Ende 20 ausgeübt, bis ich mir dann meinen eigentlichen Berufswunsch erfüllt habe. Ich habe dann noch Pädagogik studiert. Dabei hat sich immer mehr herauskristallisiert, dass ich lieber kleinere Kindern unterrichten möchte. Und deshalb habe ich mich für ein Grundschulstudium entschieden.
Zischup: An welchen Schulen haben Sie vor der Grundschule Prechtal unterrichtet?
Bauer: Ich war im Referendariat in der Grundschule in Meißenheim, danach in Vöhrenbach im Schwarzwald, anschließend bin ich nach Prechtal beziehungsweise Oberprechtal gekommen. Mir hat es überall sehr gut gefallen, deshalb hatte ich nicht das Bedürfnis oft zu wechseln.

Zischup: Welche Fächer unterrichten sie am liebsten?
Bauer: Studiert habe ich Deutsch, weil ich schon immer gerne gelesen und Aufsätze geschrieben habe. Außerdem hab ich mich schon immer gerne mit der deutschen Sprache auseinandergesetzt. Somit unterrichte ich Deutsch am liebsten, aber das kann man heute auch nicht mehr so genau voneinander trennen. In der Grundschule sowieso nicht. Als Lehrer einer Grundschulklasse unterrichtet man eigentlich alle Fächer, was auch das Schönste ist, weil man alle Fächer miteinander verbinden kann und Querverweise herstellen kann.
Zischup: Sie haben die Rektorenstelle von dem ehemaligen Schulleiter Herrn Lehmann übernommen. Hatten Sie Bedenken?
Bauer: Bedenken hatte ich keine. Für eine Funktionsstelle hatte ich mich beworben, nämlich die der Konrektorenstelle. Außerdem war klar, dass Herr Lehmann nicht mehr allzu lange Rektor sein würde. Somit konnte ich mich gut auf die Frage vorbereiten. Aber es war eigentlich nie so mein Ziel. Endziel wäre es nicht gewesen, wenn ich an eine andere Schule gekommen wäre wo der Rektor noch viele Jahre die Stelle gehabt hätte. Ich habe mich aber gerne für die Stelle entschieden, weil ich ja aus der Verwaltung komme und mir diese Arbeit liegt.

Zischup: Seit wann sind Sie Rektor?
Bauer: Seit 2012
Zischup: Vor ein paar Jahren wurde das Zwergen-Riesen-Projekt eingeführt. Das heißt, dass die Klassen eins und zwei altersgemischt sind. Gab es Probleme mit Schülern oder Lehrern?
Bauer: Zuerst einmal werden die altersgemischten Klassen in Schulen eingeführt, weil die Schülerzahlen zurückgehen, um dann einfach einen besseren Klassenschlüssel zu haben. Das war bei uns nicht der Fall. Wir hatten immer genügend, Schüler die in Klasse eins und zwei gehen konnten. Wir hätten alle Klassen bilden können. Wir hatten hier Lehrerinnen, die sich mit diesem Projekt beschäftigten. Ich stand immer voll und ganz hinter dem Projekt. Die Vorteile für die Schüler sollten im Vordergrund stehen. Wir haben uns vergleichbare Modelle angeschaut und festgestellt, dass das etwas für uns wäre. Natürlich gibt es auch Nachteile. Die liegen aber hauptsächlich auf der Seite der Lehrkräfte, da die sich ja vorbereiten müssen und den Unterricht ganz anders angehen müssen. Aber die Lehrerinnen haben sich darauf eingelassen beziehungsweise von denen kam der Vorstoß. Das ist immer das Beste, wenn von Seiten des Kollegiums solche Dinge vorgebracht werden. Wenn man als Rektor solche Sachen aufzwingen muss, dass etwas umgesetzt werden muss, ist das kein guter Weg. Dann heißt es, wenn es nicht klappt: Das haben wir schon immer gewusst. Das war aber bei uns in Prechtal überhaupt nicht so. Schwierig wird es erst dann, wenn nachfolgende Lehrer dieses System weiterführen müssen, die nicht dahinterstehen. Doch auch neue Kolleginnen haben dieses Projekt gerne umgesetzt.

Zischup: Die Klassengrößen werden immer rückläufiger. Wie wirkt sich das in Prechtal aus?
Bauer: Da haben wir eigentlich relativ Glück. In den Jahren ab 2006 oder 2008 sind die Klassen etwas kleiner geworden. Die Schülerzahlen haben sich von etwa 120 auf 100 Schüler reduziert. Bisher konnten wir die Schülerinnen und Schüler auf zwei Standorte verteilen, auf unsere Stammschule in Prechtal und auf die Außenstelle Oberprechtal.
Zischup: In den vergangenen Wochen konnte man in der Presse ein großes Thema zur Schule Prechtal verfolgen – die Ganztagesgrundschule soll nach Prechtal kommen. Wie ist Ihre Meinung dazu? Befürworten Sie dies oder lehnen Sie das ab?
Bauer: Klar ist, wenn jemand kommen würde, der sagt ihr müsst das machen, ist es wie oben schon erwähnt, schwierig, ein Kollegium zu überzeugen. Einfacher ist es, wenn jemand von sich auskommt und sagt: Ich will was Neues ausprobieren, ich habe da eine Idee. Ich habe mich als Schulleiter immer wieder mit solchen Themen beschäftigt und mir dabei gedacht, dass im Zuge des gesellschaftlichen Wandels – also wenn beide Eltern arbeiten gehen – es einen Bedarf an einer Ganztagesbetreuung und somit auch auf eine Betreuungsform in der Schule gibt. Die Schüler müssen auch betreut werden, wenn die Eltern keine Zeit haben, die Hausaufgaben mit den Kindern zu machen. Deshalb finde ich, dass eine Ganztagesgrundschule eine gute Sache ist, wenn die meisten die damit zu tun haben, damit einverstanden sind und sich bereiterklären, dies mitzutragen. Dieses Mitarbeiten heißt andere Schulzeiten, andere Unterrichtsformen und anders strukturierte Unterrichtstage, die bis zum Nachmittag ausgedehnt werden. Es werden auch andere Menschen als Lehrer mitarbeiten. Diese Leute gibt es in Prechtal schon viele Jahre, zum Beispiel die der Hausaufgabenbetreuung oder die AG-Leiter. Aus dieser Sicht hätte Prechtal gute Voraussetzungen Ganztagesgrundschule zu werden. Ich bin ein Befürworter, weil ich der Meinung bin, dass immer mehr Schüler die notwendige Unterstützung der Nachmittagsbetreuung brauchen, einen Platz, an dem sie ihrer Arbeit, ihrem Sport und ihrem Spaß nachgehen können.

Zischup: Sehen Sie Probleme bei der Umsetzung der Ganztagesgrundschule?
Bauer: Ein Problem in Elzach ist, dass es nur eine Schule machen soll.
Zischup: Glauben Sie, dass viele Eltern ihre Kinder an einer Ganztagesgrundschule anmelden würden? Und warum?
Bauer: Das kommt darauf an. Der Bedarf ist in den letzten Jahren gestiegen. Manche Eltern sind berufstätig, manche Familien sind nicht mehr vollständig, das heißt ein Elternteil ist alleinerziehend. Ein weiterer Punkt ist, dass heutzutage Omas und Opas ausfallen, weil diese oft jung geblieben sind und auch noch ihren Beruf haben und nicht so greifbar sind. Ein weiteres Problem ist, dass die Familien nicht mehr so eng beieinander wohnen, wie das dafür früher der Fall war. Der Bedarf steigt mit der Berufstätigkeit der Eltern. Eltern möchten heute ihre eigenen Interessen nicht gerne zurückstellen, deshalb springen Schulen auch dafür ein. Wobei eine Schule nie ein Elternhaus ersetzen kann, das ist ganz klar. Sie kann nur dazu beitragen, dass eine gewisse Problematik gemildert werden kann.

Zischup: Wenn Sie genügend Geld zur Verfügung gestellt bekommen würden, wie würde Ihre Traumganztagesschule aussehen?

Bauer: Die beschlossene Ganztagesgrundschule ist eine offene Form, das heißt man kann sich dafür entscheiden. Das ist in unserer offenen Gesellschaft natürlich schön, wenn man sich entscheiden kann und nicht muss. Ich bin jemand der sagt, eine Ganztagesschule funktioniert vielleicht am besten, wenn alle daran teilnehmen. Ich erkläre gerne auch warum: Wenn die einen es machen und die anderen nicht, entstehen zwei Klassen. Die einen haben einen tollen Nachmittag und haben vielleicht einen größeren Lernzuwachs, während die anderen zu Hause sind. Das erweckt bei den einen, die da sein müssen, den Neid der anderen, schon heimgehen zu dürfen. Bei den anderen erweckt das vielleicht den Eindruck, die können nochmal wiederholen. Die kriegen mit den Lehrern die Hausaufgaben gemacht und bekommen nochmals eine Förderung.
Mit genügend Geld würde ich ganz viele tolle Sachen anbieten, die das Gemeinschaftsgefühl fördert, Sachen bei denen man ganz viel gemeinsam macht, wie zum Beispiel gemeinsame Theaterbesuche, gemeinsame Aktivitäten im Werkraum. Auch gemeinsam mit der Hausaufgabenbetreuung oder den AGs Sachen anbieten. Anschaffung von technischem Gerät, wobei eine zu frühe technische Entwicklung bei Kindern für mich nicht allzu wichtig ist. Geld muss sicher in die Ausstattung der Räume fließen, um ein Wohlfühlen gewährleisten zu können.

Ressort: Schülertexte

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