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"Auf das Glöckchen hast du überhaupt nicht reagiert"

  • Fr, 03. Mai 2019
    Schülertexte

ZISCHUP-INTERVIEW mit Annette Bauer darüber, wie sie damals entdeckt hat, dass ihre Tochter schwerhörig ist.

Annette Bauer mit Tochter Enrica   | Foto: privat
Annette Bauer mit Tochter Enrica Foto: privat

Enrica Bauer aus der Klasse 8b der Klosterrealschule Offenburg war gerade Mal ein Jahr, als ihre Mutter Annette Bauer merkte, dass irgendwas mit ihrem Gehör nicht stimmt. Sie ließ ihre Tochter untersuchen – und tatsächlich: Die Ärzte diagnostizieren eine Innenohrschwerhörigkeit. Enrica wollte von ihrer Mutter noch einmal genau wissen, wie das damals war.

Zischup: Wie alt war ich, als du erkannt hast, dass ich schlecht höre?
Bauer: Knapp ein Jahr. Du bist auf dem Hochstuhl gesessen, es hat geklingelt, aber du hast nicht reagiert. Da habe ich zum ersten Mal gemerkt, dass mit deinem Hören etwas nicht stimmt. Zuvor war mir das noch nie so deutlich aufgefallen.
Zischup: Was hast du dann gemacht?
Bauer: Ich habe dich genau beobachtet. Deine Reaktionen auf Geräusche waren unterschiedlich, und ich wurde immer unsicherer. Meine Nachbarin, die Ärztin ist, hat mit dir einen Test gemacht. Sie hat, während du im Sandkasten gespielt hast, hinter dir mit einem Glöckchen geläutet. Aber du hast überhaupt nicht reagiert. Daraufhin sind wir in die Klinik nach Freiburg gegangen.
Zischup: Was hat der Arzt dort mit mir gemacht?
Bauer: Die Ärzte haben mit dir verschiedene Hörtests gemacht. Unter anderem haben sie dich schlafen gelegt. Sie haben dir einen Kopfhörer aufgesetzt und deinen Kopf verkabelt. Danach haben sie dich unterschiedliche Töne hören lassen. Diese Höreindrücke wurden in Kurven abgeleitet. Somit hatten wir den Beweis, dass du an beiden Ohren eine Innenohrschwerhörigkeit hast.
Zischup: Wie ging es weiter?
Bauer: Du hast Hörgeräte bekommen. Als die Hörschädigung aber am rechten Ohr schlechter wurde, haben die Ärzte dir ein Implantat eingesetzt.
Zischup: Habe ich dann sofort alles gehört?
Bauer: Nein, du hast dich erst einmal an die Hörhilfen gewöhnen müssen. Aber ich habe gemerkt, wie du immer mehr auf unterschiedliche Geräusche reagiert hast, das hat mich sehr gefreut und ermutigt. Ich habe auch nie die Hoffnung aufgegeben, dass du eines Tages hören und sprechen lernst. Als du etwa zweieinhalb Jahre alt warst, hast du dann tatsächlich angefangen, zu lallen und auch mal Mama und Papa zu sagen. Mit viel Geduld, Einfühlungsvermögen und Unterstützung von einer Frühförderungslehrerin sowie vielen logopädischen Therapien hast du schließlich richtig sprechen gelernt.
Zischup: Wie oft waren wir in der Uniklinik?
Bauer: Wir waren bestimmt schon 40 Mal in der Klinik. Immer wieder wurden Hörtests und andere Untersuchungen gemacht. Als du wegen des Implantats operiert wurdest, mussten wir mehrere Tage in der Klinik bleiben.
Zischup: Wie hast du dich gefühlt, als du erfahren hast, dass ich schwerhörig bin?
Bauer: Zuerst war ich schockiert, als uns der Professor in der HNO-Klinik erklärt hat, dass du eine Innenohrschwerhörigkeit hast, die für immer bleibt. Er meinte, dass das zwar keine schöne Nachricht ist, aber er sagte auch, dass man mit dieser Behinderung, mit Hilfe von Hilfsmitteln im Leben gut zurechtkommen kann. Das hat mich ermutigt und hat meine Zuversicht gestärkt, dass doch noch alles gut werden kann. Heute bin ich glücklich und dankbar dafür, dass du dein Alltagsleben selbständig meisterst und sehr gut in der Schule zurechtkommst.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 03. Mai 2019: PDF-Version herunterladen

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