Holzangst und Makkaroni

Bei der Auswahl von Trinkhalmalternativen herrscht Chaos

Gregor Tholl & dpa
Do, 07. Oktober 2021, 18:12 Uhr
Panorama

Der Plastikstrohhalm ist einer der Einweg-Kunststoffartikel, die in der EU seit Juli nicht mehr verkauft werden dürfen. Alternativen gibt es reichlich, doch welche eignet sich am besten als Trinkhalm?

Welches Material eignet sich am besten... Glas – oder doch die Makkaroni? | Foto: Hauke-Christian Dittrich (dpa) — Welches Material eignet sich am besten? Papier, Metall, Glas – oder doch die Makkaroni? Foto: Hauke-Christian Dittrich (dpa)

Es geht um den Kampf gegen Plastikmüll. Abschied nehmen vom Plastikstrohhalm hieß es am 3. Juli, also vor etwa 100 Tagen. Seither sind Alternativen aus Glas, Pappe oder Metall auf dem Vormarsch. Oft gibt es auch Röhrennudeln zum Trinken – also Maccheroni (eingedeutscht: Makkaroni). Nicht jedermanns Sache sind Holzhalme. Vor allem Menschen mit Xylophobie erleben sie als äußerst unangenehm.

Kommentar: Das beschränkte Verbot von Einweg-Kunststoff ist richtig

Die oft bunt gestreiften Trinkhalme fallen unter das europaweite Verkaufsverbot von Einweg-Kunststoffartikeln – festgelegt in der EU-Richtlinie 2019/904 vom 5. Juni 2019. Einwegprodukte, die noch als Lagerbestände vorhanden sind, dürfen aber weiterhin verkauft und benutzt werden, weshalb die Neuregelung erst allmählich im Alltag spürbar wird.

Unterschiedliche Auffassungen des EU-Gesetzes

Das Unternehmen Alpiplast in Südtirol gehört zu den größten Trinkhalmherstellern in Europa. Die Firma in Partschins nahe Meran und Bozen produziert seit 50 Jahren Trinkhalme und liefert sie in die ganze Welt. Hunderte Millionen Halme verlassen jährlich das Werk. Eine Sprecherin teilt auf Nachfrage mit: "Im Moment herrscht komplettes Chaos am Markt, die EU-Verordnung zum Plastikverbot ist zwar in Kraft, allerdings haben die einzelnen Staaten es teilweise versäumt, ein eigenes Gesetz dazu zu erlassen." In Italien, Dänemark oder Belgien beispielsweise sei es erlaubt, biologisch abbaubare Trinkhalme zu benutzen. Deutschland und andere Länder erlaubten hingegen nur Papierhalme und keine biologisch abbaubaren Trinkhalme. Bei vielen Ländern gebe es noch gar keine Information dazu. Die biologischen Trinkhalme von Alpiplast werden nach Angaben des Unternehmens aus dem Holzbestandteil Lignin, Zuckerrohr mit PLA (Milchsäuremolekülen), Kaffeegranulat oder Bambuspulver hergestellt.

Selbstversuch: Eine Woche leben ohne Plastik – funktioniert das in Freiburg?

Das Bundesumweltministerium verteidigt seine strikte Linie, denn es sei "nicht sichergestellt", dass sich als biologisch abbaubar zertifizierte Kunststoffe jenseits von speziellen Kompostanlagen, "insbesondere in Meeresgewässern", tatsächlich abbauten. Deutschlands Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) – eine Anstalt des öffentlichen Rechts, die die Bundesregierung in Fragen der Lebensmittelsicherheit wissenschaftlich berät – erläutert angesichts des Einweg-Plastikverbots, einer drastischen Maßnahme im Kampf gegen den Plastikmüll, die Alternativen zum Kunststoff. Gewarnt werden Verbraucher dabei vor allem vor Trinkhalmen aus echtem Stroh, da es dabei die Gefahr von Keimen oder Schimmelpilzgiften gebe.

EU-Verordnung: Das sind die Alternativen zu verbotenen Plastikprodukten

Trinkhalme aus Silikon, Edelstahl oder Glas seien dagegen bei wiederholtem Gebrauch empfehlenswert, so das BfR auf seiner Website. "Metall sollte die Vorgaben der Europaratsresolution zu Metallen und Legierungen einhalten." Und Glas sollte natürlich bruchsicher sein. Bei Trinkhalmen aus Papier und Pappe werden Nassverfestigungsmittel zugesetzt, die ein Durchweichen verhindern. Rückstände dieser Stoffe, insbesondere Chlorpropanole, können dabei ins Lebensmittel übergehen.

"Im Grunde genommen kann ein Mensch gegen alles eine Phobie entwickeln – je nach dem Ursprung der Ängste." Cornelia Lohmeier

Xylophobie lautet ein Fachwort für die Angst vor Holz im Mund, also wenn man es kaum erträgt, Eis-Stiele abzulecken, am Holzkochlöffel abzuschmecken oder den Gedanken an das kratzige Gefühl der Holzfasern auf der Zunge eklig findet. Seit in Deutschland das Plastiktrinkhalmverbot greift, sehen sich nun "Xylophobe" öfter mit ihren Ängsten konfrontiert. Denn in vielen Lokalen werden Trinkhalm-Alternativen aus Holz gereicht.

Die Ursache für die Entwicklung von Phobien sei individuell sehr verschieden

"Im Grunde genommen kann ein Mensch gegen alles eine Phobie entwickeln – je nach dem Ursprung der Ängste", sagt die Münchner Psychologin Cornelia Lohmeier. Auch vor dem Kontakt mit Plastik gebe es Berührungsängste, weshalb sich die Frage der Phobie auch schon vorher gestellt habe. Die Ursache für die Entwicklung von Phobien sei individuell sehr verschieden. Phobien seien für die Betroffenen allerdings ein ernstzunehmendes Leiden, die das Alltagsleben erheblich erschweren können. Abgesehen davon, unangenehme Reize zu vermeiden, sei deshalb auf die Möglichkeit verwiesen, sich professionelle therapeutische Hilfe zu holen, betont Lohmeier.

Nudeln als Strohhalme gesundheitlich unbedenklich

Und was hält das Bundesinstitut für Risikobewertung von Nudeln als Plastikersatz? "Soll ein Trinkhalm nur einmal verwendet werden, spricht gesundheitlich nichts gegen den Einsatz von Produkten aus Hartweizen (zum Beispiel rohen Makkaroni-Nudeln)." Allerdings könnten sich die Nudeln insbesondere in warmen und heißen Getränken oder über einen längeren Zeitraum auflösen und damit unbrauchbar werden. Zudem könnten sie die Konsistenz und den Geschmack des Getränks verändern, so das Bundesinstitut für Risikobewertung. "Dabei sollten nur Nudeln aus industrieller Herstellung verwendet werden, die als Zutat kein Ei enthalten."

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