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"Beim Mauerfall war viel los"

  • Florian Bellgardt, Klasse 4c, Grundschule Herbolzheim (Herbolzheim)

  • Fr, 05. Juli 2019
    Zisch-Texte

ZISCH-INTERVIEW mit Gabriele Bellgardt, die als Telegrafistin gearbeitet hat, über ihre Arbeit .

Heute gibt es Computer und E-Mails, fr...Reporter Florian Bellgardt, zu sehen.   | Foto: privat
Heute gibt es Computer und E-Mails, früher schickten sich die Leute Telegramme – mit Hilfe von Telegrafistinnen wie Gabriele Bellgardt. Hier ist sie mit ihrem Enkel, Zisch-Reporter Florian Bellgardt, zu sehen. Foto: privat

Zisch-Reporter Florian Bellgardt aus der Klasse 4c der Grundschule Herbolzheim hat seine Oma Gabriele Bellgardt über ihren ehemaligen Beruf gefragt. Sie war Telegrafistin.

Zisch: Hallo Oma, ich interessiere mich für deine berufliche Ausbildung. Welchen Beruf hast du erlernt?
Bellgardt: 1969, da war ich gerade 17 Jahre alt, bewarb ich mich beim Fernmeldeamt Freiburg als Angestellte. Ich hatte die mittlere Reife und wurde eingestellt. Alle Bewerber wurden eingeteilt, zum Beispiel in den nichttechnischen Betrieb. Ich kam zur Telegrafie. Damals wusste ich noch nicht, was das war.

Zisch: Welche Ausbildung benötigte man dafür?
Bellgardt: Es gab nur eine dreimonatige Ausbildung in Telegrafenrecht, Geographie, die Ausbildung am Fernschreiber – dazu gehörten Schnelligkeit und fehlerloses Blindschreiben – und in allem, was zur Übermittlung von Telegrammen gehörte, auch das Buchstabieralphabet.
Zisch: Was ist ein Telegramm?
Bellgardt: Ein Telegramm ist eine telegrafisch über Fernschreiber übermittelte Nachricht. Es war früher der schnellste Weg für Nachrichten.
Zisch: Wie viel kostete ein Telegramm?
Bellgardt: Das weiß ich nicht mehr so genau, aber es wurde nach Wörtern gezählt oder auch nach Buchstaben. Heute kostet es 13 bis 20 Euro. Es gab auch Schmucktelegramme. Da wurde der Text in eine DIN-A5- oder DIN-A4-Karte, zum Beispiel mit Blumenmotiv, geschrieben.
Zisch: Gab es normale Arbeitszeiten und hattet ihr viel Stress bei der Arbeit?
Bellgardt: Nein, wir hatten Wochenpläne rund um die Uhr, auch an Sonn- und Feiertagen. Die Arbeitszeiten wechselten täglich. Zum Beispiel heute Mittagsdienst, morgen Spät- oder Frühdienst oder auch an Heiligabend oder Silvester Nachtdienst. Es gab immer sehr viel Arbeit, hunderte Telegramme täglich kamen an und mussten weiterübermittelt werden: an die Postämter in unserem Bereich oder in Freiburg an die Eilboten, welche die Telegramme sofort an den Empfänger persönlich zustellten. Ich erinnere mich, der Mauerfall im Herbst 1989 war eine unglaubliche Arbeitsbelastung für uns: Da explodierte auf einmal die Menge an Telegrammen, weil ganz viele Familien in Westdeutschland ihren Verwandten in Ostdeutschland eine Nachricht schicken wollten.
Zisch: Hat es trotzdem viel Spaß gemacht?
Bellgart: Ich war 23 Jahre dabei und hatte mit meinen Kolleginnen auch unglaublich viel Spaß. Es gab oft kuriose Kunden am Telefon, wenn wir mit Kopfhörer die Telegramme aufnahmen. Wir konnten zusammen hart arbeiten und uns aufeinander verlassen, aber eben auch den einen oder anderen Schabernack treiben.
Zisch: Gibt es die Telegrafie heute noch?
Bellgardt: Unser Standort in Freiburg wurde 1992 geschlossen, aber man kann immer noch, zum Beispiel im Internet, Telegramme oder Schmucktelegramme aufgeben. Heute ist das eher etwas Außergewöhnliches, denn die Technik hat den Fernschreiber längst überholt.

Ressort: Zisch-Texte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 05. Juli 2019: PDF-Version herunterladen

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