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Beschluss vor 25 Jahren

Berlin und Bonn: Dauerzoff um doppelte Hauptstadt

  • Teresa Dapp (dpa)

  • Sa, 18. Juni 2016, 00:00 Uhr
    Deutschland

1991 entschloss sich der Bundestag, seinen Sitz von Bonn in die neue Hauptstadt Berlin zu verlegen. Seither leistet sich Deutschland eine Haupt- und eine Bundesstadt.

Gerade mal 18 Stimmen machen den Unterschied. Um 21.48 Uhr steht nach einer zehnstündigen Marathon-Debatte fest: Bundestag und Bundesregierung ziehen von Bonn nach Berlin, das bereits im Zuge des Einigungsvertrages 1990 Hauptstadt geworden war. Bundeskanzler Helmut Kohl ist hochzufrieden an diesem 20. Juni 1991, sein Innenminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) erst recht. Dessen Rede hatte den Ausschlag gegeben. Und die Bonner? Die sind schockiert.

"Es geht heute nicht um Bonn oder Berlin, sondern es geht um unser aller Zukunft, um unsere Zukunft in unserem vereinten Deutschland", mahnt Schäuble die Abgeordneten. In den elf sogenannten alten Bundesländern könne nun mal nicht alles beim Alten bleiben. Schon der Name des Antrags, über den die 660 Abgeordneten abstimmen, klingt mehr als gewichtig: "Vollendung der Einheit Deutschlands".

Zum Trost und als eine Art Lebensversicherung bekommt Bonn, dessen Untergang nun viele schon als besiegelt ansehen, das Bonn/Berlin-Gesetz. Es legt fest, dass "der größte Teil der Arbeitsplätze der Bundesministerien in der Bundesstadt Bonn erhalten bleibt".

Was Schäuble 1991 auch sagt: Es gehe nicht um Arbeitsplätze, Umzugs- oder Reisekosten. "In Wahrheit geht es um die Zukunft Deutschlands." Das konnte man wohl so sehen, heute geht es aber sehr wohl um Dienstreisen und Kosten in der Berlin-Bonn-Debatte. Vor allem, wenn wieder ein sogenannter Teilungskostenbericht veröffentlicht wird. Im jüngsten, vorgelegt im März, steht: Der doppelte Regierungssitz kostet im Jahr 2016 etwa 7,5 Millionen Euro.

Das ärgert vor allem die Linken. Ihre Bundestagsfraktion beantragte zuletzt im April in schönem Bürokratendeutsch ein Beendigungsgesetz zum Berlin-Bonn-Gesetz. Die 1994 gemachten Versprechen seien eingelöst, die Teilung sei nicht zukunftsfähig, die Kosten kaum zu rechtfertigen, die vielen Dienstreisen schlecht für die Umwelt, heißt es im Antrag. Ziel: Bis 2020 sollen alle Ministerien komplett in Berlin sitzen. Auch der Steuerzahlerbund fordert seit Jahren den vollständigen Umzug.

Doch wenn die Themen Umzug oder "Rutschbahn-Effekt" – die Verlagerung von Stellen vom Rhein an die Spree – auf den Tisch kommen, lösen sie in Nordrhein-Westfalen eine Art Reflex aus: Quer durch die Parteien heißt es dann, die Arbeitsteilung sei bewährt und effizient.

Das sehen nicht nur Berliner Abgeordnete ganz anders, die vorschlagen, die Ministerien komplett in die Bundeshauptstadt zu holen und Bonn mit untergeordneten Behörden zu entschädigen. Auch Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD), die zudem Beauftragte des Bundes für den Berlin-Umzug (und den Bonn-Ausgleich) ist, sagte vergangenen Herbst: "So wie es ist, kann und wird es nicht bleiben." Noch in diesem Jahr will sie dem Kabinett einen Sachstandsbericht vorlegen, derzeit werden verschiedene Zahlensammlungen und Befragungen ausgewertet und zusammengefasst.

Aber mit welchem Ziel denn? Dass der Komplettumzug der Ministerien quasi beschlossene Sache sei, wie immer wieder berichtet wird, bestreitet die Ministerin, deren Wahlkreis Kleve übrigens in NRW liegt. "Es gibt keinerlei Vorfestlegungen hinsichtlich eine Komplettzuges oder anderer Strukturentscheidungen", sagt eine Sprecherin des Ministeriums.

So ganz freie Hand hätte Hendricks ohnehin nicht – denn da ist noch der schwarz-rote Koalitionsvertrag. In dem steht: "Wir stehen zum Bonn-Berlin-Gesetz. Bonn bleibt das zweite bundespolitische Zentrum." Das gilt also – wenigstens bis zum Herbst 2017.

Ressort: Deutschland

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