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Barfuß auf die Zugspitze

  • Marcus Mockler (epd)

  • Mo, 30. April 2018
    Panorama

Bernd Gerber ist fast ausschließlich auf nackten Füßen unterwegs und fühlt sich pudelwohl dabei.

Bernd Gerber ohne Wanderstiefel   | Foto: Privat
Bernd Gerber ohne Wanderstiefel Foto: Privat

REUTLINGEN. Selbst bei leichten Minusgraden kann man Bernd Gerber auf nackten Füßen spazieren gehen sehen. Der 47-jährige Reutlinger hat vor acht Jahren das Barfußlaufen für sich entdeckt. Als Sportler schafft er inzwischen 35 Kilometer ganz ohne Schuhe, bei einem 24-Stunden-Lauf hat er 117 Kilometer in primitiven Laufsandalen absolviert. Und im vergangenen Jahr erklomm er barfuß die Zugspitze.

Was auf den ersten Blick fanatisch wirkt, erweist sich bei näherer Betrachtung als kühle Überlegung. Gerber hat sich inzwischen tief in die Fußforschung eingegraben. Schuhe und Strümpfe verhindern den unmittelbaren Kontakt zum Untergrund, erklärt er, und berauben den Körper wichtiger Signale, die er beim Gehen und Stehen empfängt. Absätze bringen den Körper zudem aus dem Lot, die Schrägstellung muss ausgeglichen werden. Die Folgen: Probleme in Knie, Hüfte, Wirbelsäule und Nacken. "Füße sind die besseren Schuhe", erklärt auch die Techniker Krankenkasse. Barfußgehen kräftige Bänder und Muskeln, die Fußgelenke würden stabiler, Verletzungen seltener.

In dieser Hinsicht hat Gerber heute keine Beschwerden mehr. Das fiel auch seinen Laufkollegen auf, wie er erzählt: Der Einzige, der nie mit Verletzungen zu kämpfen hat, sei er, seit er barfuß oder in Laufsandalen rennt. Der anfängliche Spott ("Ist dir das Geld für Schuhe ausgegangen?") sei neugieriger Bewunderung gewichen. Bedenken gegen das Gehen auf nackten Sohlen kennt Gerber zur Genüge. Zu kalt, zu schmutzig, zu gefährlich. Vieles ist seiner Ansicht nach eine Sache der Umstellung. So reguliere sich der Wärmehaushalt mit der Zeit von alleine – und dann sei man wirklich nur noch bei Frost auf isolierende Treter angewiesen. Auch kleine gymnastische Übungen sorgten dafür, dass mehr Blut und damit Wärme an die Zehen gelange. Natürlich müsse man beim Barfußlaufen auf Scherben oder spitzen Steine achten. Und besonders vorsichtig sollten Diabetiker sein, die oft ein verändertes Schmerzempfinden an den Füßen haben.

Gerbers Fuß kann man die Jahre der Schuhlosigkeit ansehen. Zwischen großem und zweitem Zeh ist der Abstand zur Form eines "V" gewachsen. Die Haut seiner Sohle wirkt lederartig, aber weich. "Der Körper unterfüttert die Haut, um die stärkere Belastung abzufangen", sagt er. Hornhaut hat er keine. Dabei hat der Reutlinger Zehen, Ferse und Ballen schon einiges zugemutet. Vergangenes Jahr bestieg er die 2962 Meter hohe Zugspitze ohne Schuhe. "Ich wolle einfach ausprobieren, ob das geht." Am härtesten traf ihn ein Geröllfeld, über dessen teils scharfkantigen Steine er sich quälte. Einen Gletscher passierte er in Neoprensocken, um sich vor Erfrierungen zu schützen.

Selbstverständlich gibt es Lebenssituationen, in denen man ohne Schuhe nicht gesellschaftsfähig ist. Das weiß auch Gerber, der hauptberuflich im Verkauf von regenerativen Energiesystemen arbeitet. Für diese Zwecke trägt er dann sogenannte Barfußschuhe. Diese Schuhe haben keine Absätze und sind vorne vergleichsweise breit, die Schuhsohle lässt sich leicht biegen.

Aus der Begeisterung ist für Gerber eine Nebentätigkeit geworden. Er hat eine Ausbildung zum Barfußcoach absolviert. Damit hilft er Menschen beim Umstieg aufs Barfußlaufen. Denn: Wer zu abrupt umsteige, kann seinen Füßen schaden, warnt Medizinerin Ursula Marschall von der Barmer Krankenkasse. Sehnenreizungen oder Achillessehnenentzündungen könnten die Folge sein. Orthopäden raten auch Menschen, die aufgrund einer Fußfehlstellung medizinische Einlagen tragen, zur Vorsicht.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mo, 30. April 2018: PDF-Version herunterladen

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