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BZ-Serie

Cembalobauer: Mit Hammer, Säge und Stimmgabel

  • Fr, 11. Juli 2014
    Kreis Breisgau-Hochschwarzwald

BZ-SERIE: Nikolaus Deckers lernt Cembalobauer in der Clavierwerkstatt von Christoph Kern in Staufen .

STAUFEN. Altmodisch und unattraktiv? Von wegen! Wenn Nikolaus Deckers erzählt, was er lernt, finden junge Leute das "cool" und interessant. Dieses Handwerk wird dennoch völlig unterschätzt. Dass es die dreieinhalbjährige Ausbildung zum Klavier- und Cembalobauer gibt, wissen die wenigsten. Das gilt auch für die attraktiven Zukunftschancen in diesem Beruf. Klavier- und Cembalobauer sind gesuchte Fachkräfte mit guten Aussichten auf interessante Stellen – und zwar international.

Später mal im Ausland zu arbeiten, könnte sich auch Nikolaus Decker vorstellen. "Vor allem in Holland und Frankreich gibt es interessante Betriebe im Cembalobau." Die Zahl der Klavier- und Cembalobau-Azubis ist überschaubar. "Bundesweit sind es gerade mal 42 in meinem Jahrgang", sagt Nikolaus Deckers. Er kennt sie alle. Schließlich drückt er mit ihnen die Berufsschulbank in Ludwigsburg.

Eine Besonderheit zeichnet Nikolaus Deckers aus: Er ist zurzeit der einzige Lehrling bundesweit, der sich ausschließlich der Fachrichtung Cembalobau verschrieben hat. In der dreieinhalbjährigen Ausbildung lernt er, die Instrumente herzustellen, zu intonieren und zu stimmen, zu reparieren und zu restaurieren. Nikolaus Deckers kam nicht von ungefähr auf den seltenen Ausbildungsberuf. Leidenschaft für Musik, Talent fürs Klavierspielen und handwerkliche Begabung haben ihm den Weg gewiesen. "Den Bezug zu Holz bekam ich durch meine Arbeit in einer Schreinerwerkstatt während meiner Zivildienstzeit", erzählt der 25-jährige Abiturient aus Filderstadt. Feingefühl, Geduld und ein gutes Gehör sind Voraussetzungen, die er für diesen Beruf ebenfalls mitbringt. Musik war schon immer Deckers’ Ding: "Klavierunterricht in der Grundschule, seit dem 12. Lebensjahr Kontrabass und E-Bass, Einstieg ins Schulorchester als 15-Jähriger und mit 17 Jahren in eine Bigband." So hat sich eine passende Ausbildung gefunden. "Mein Hobby Musik mit dem Handwerk zu verbinden, finde ich sehr spannend." Diese Idee führte ihn von Filderstadt nach Staufen. Ein Praktikum bestätigte seine Berufung zum Klavier- und Cembalobauer.

Sein Arbeitsplatz ist die 300 Quadratmeter große Werkstatt in einem denkmalgeschützen Gebäude in Staufen, der Clavierwerkstatt von Christoph Kern. Wer den Handwerksbetrieb betritt, ist beeindruckt von den hohen Decken und großen Räumen: Hier ist Platz für die Hammerflügel von Pleyel aus Paris sowie von Hippe aus Weimar und die teils aufwendig bemalten Cembali. In dieser Umgebung lernt Nikolaus Deckers, wie in Hunderten Stunden Handarbeit ein Cembalo originalgetreu nachgebaut wird. Deckers: "Das Cembalo erlebte im 17. und 18. Jahrhundert seine Blütezeit, geriet später aber in den Schatten des Klaviers. Klang, Aufbau und Mechanik unterscheiden sich stark: Anders als beim Klavier werden beim Cembalo etwa die Obertöne durch ein Anreißen der Saiten erzeugt."

An der Hobelbank bringt Deckers das Fichtenholz in gewünschten Maße. "Die verwendeten Materialien orientieren sich am Original", erklärt er. Der Korpus wird aus Fichte, Ahorn oder Nussbaum gefertigt – wie es ursprünglich von den Meistern verarbeitet wurde. Die Auswahl der Hölzer hat mit der Herkunft der Instrumente zu tun: So griffen flämische Cembalobauer teils auf anderes Holz zurück als italienische oder spanische – alles hat Auswirkungen auf den Klang des Instruments. Zum Einsatz kommen dabei mehr als 30 Hobel- und Stecheisen – Werkzeuge, die kaum noch benutzt werden und durch Maschinen ersetzt sind.

Hammer und Säge gehören ebenso zum Handwerk wie Stimmhammer und Stimmgabel: Eine der größten Herausforderungen stellt das perfekte Stimmen des Instruments dar. Die ist nicht alleine mit theoretischen Kenntnissen der Akustik, Harmonielehre und praktischer Erfahrung im Klavierspielen lösbar. Dass dabei das musikalische Gehör mächtig ist, ist keine Frage. Zum Beruf gehört ebenfalls der Kontakt mit Menschen, die Klavier- und Cembalomusik lieben oder zumindest Interesse daran haben. Menschen für Musik zu begeistern, ist ein großes Anliegen von Christoph Kern. Nicht zuletzt wird diese Begeisterung auch in hauseigenen Konzertreihen weitergegeben. "Eine schöne Möglichkeit, um Musik auf höchstem Niveau zu erleben", schwärmt Nikolaus Deckers, der für manch weltbekannten Interpreten historischer Musik wie Andreas Staier schon Instrumente stimmen durfte. Überhaupt gehören Stimmarbeiten für Orchester und für Solokünstler zum Beruf.

In der Zwischenprüfung konnte Nikolaus Deckers zeigen, was er gelernt hat. Bis zur Gesellenprüfung baut er zwei komplette Cembali. Danach stehen die Chancen für ihn gut, gleich einen Job zu bekommen. Sein Chef Christoph Kern, der die Staufener Clavierwerkstatt 1992 gegründet hat, braucht den Nachwuchs: "Wir bilden für den Eigenbedarf aus und haben im nächsten Jahr wieder eine Lehrstelle zu vergeben. Interessenten können sich gerne melden."

KLAVIER-/CEMBALOBAUER

Sie fertigen, reparieren, restaurieren und stimmen Cembali, aber auch Klavichorde, Hammerflügel, Tafelklaviere und Spinette für Handwerksbetriebe und kleinere bis mittlere Industriebetriebe des Musikinstrumentenbaus. Darüber hinaus arbeiten sie in Opern- und Konzerthäusern, Musikschulen oder Konservatorien, in Museen für historische Instrumente oder im Fachhandel. Die dreieinhalbjährige Ausbildung erfordert keinen bestimmten Schulabschluss und wird mit 300 bis 600 Euro brutto vergütet. Eine Weiterbildung zum Meister ist möglich.

Ressort: Kreis Breisgau-Hochschwarzwald

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 11. Juli 2014: PDF-Version herunterladen

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