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"Das komplizierteste Ding, das es gibt"

  • Nelly Schmidt, Klasse 4a, René-Schickele-Schule (Badenweiler)

  • Fr, 01. April 2022
    Zisch-Texte

ZISCH-INTERVIEW mit dem Hirnforscher Gerd Kempermann über seine Forschungen, unsere Gesundheit und einen Mäusespielplatz.

Wie unser Gehirn funktioniert, ist immer noch nicht ganz erforscht.  | Foto: Science Photo Library
Wie unser Gehirn funktioniert, ist immer noch nicht ganz erforscht. Foto: Science Photo Library

Wie funktioniert das Gehirn und was macht ein Gehirnforscher genau? Diese Fragen stellt Zisch-Reporterin Nelly Schmidt aus der Klasse 4a der René-Schickele-Schule in Badenweiler ihrem Patenonkel, dem Dresdner Gehirnforscher und Professoren für Genomische Grundlagen der Regeneration, Gerd Kempermann.

Zisch: Du hast Medizin studiert, warum bist du kein richtiger Arzt, sondern Forscher geworden?
Kempermann: Auch als Forscher kann man Arzt sein, aber ich weiß, was du meinst. Ich habe erst im Krankenhaus gearbeitet und dann gemerkt, dass mir die Wissenschaft viel mehr Spaß macht und dass ich das auch besser kann. Es war gar nicht so leicht, mich nur für die eine Seite zu entscheiden, weil ich immer sehr gerne Patienten behandelt habe.
Zisch: Was macht ein Gehirnforscher?
Kempermann: Wie der Name schon sagt, untersucht er das Gehirn. Das Gehirn ist wahnsinnig kompliziert, man sagt sogar, es ist das komplizierteste Ding, das es im ganzen Universum gibt. Aber es ist ganz nützlich, ein bisschen mehr davon zu verstehen, denn man kann dadurch vieles in unserem Leben verbessern. Man kann Patienten helfen, die ein Problem mit dem Gehirn haben. Das ist die medizinische Seite. Aber man kann auch lernen, zu verstehen, wie Sachen funktionieren. Man muss zum Beispiel in der Schule das Gehirn benutzen. Im vergangenen Jahrhundert hat die Pädagogik ganz viel von der Hirnforschung gelernt und Methoden entwickelt, durch die Kinder besser lernen können.
Zisch: Warum nimmt man Mäuse als Versuchstiere?

Kempermann: Das Gehirn zu untersuchen, ist nicht so leicht. Beim Menschen kann man davon Bilder machen, zum Beispiel mit der Kernspintomographie. Aber viele Dinge passieren im Inneren, auf der Ebene von Zellen, also von sehr kleinen Einheiten. Da kommt man beim Menschen schwer ran. Auch die genetische Information ist wichtig, die antreibt, dass die Zellen sich verändern. Und das können und wollen wir aus guten Gründen nicht beim Menschen untersuchen. Deswegen benutzen wir Mäuse, die zwar ein Gehirn haben, das winzig klein ist, aber von der grundsätzlichen Struktur her gar nicht so anders ist, als unseres. Wir können deshalb viel davon lernen.
Zisch: Gibst du den Mäusen Namen?
Kempermann: Normalerweise nicht. Es sind ja auch ganz viele und sie sehen sich so ähnlich. Aber es macht Spaß, sie zu beobachten. Wir machen nur Versuche mit den Mäusen, bei denen es ihnen gut geht. Wir bauen ihnen zum Beispiel große Spielplätze und lassen sie frei rumrennen. Es geht bei uns also oft recht lustig zu.
Zisch: Hast du Sie schon mal eine wichtige Entdeckung gemacht und wem hast du als Erstes davon erzählt?

Kempermann: Ja, ich habe tatsächlich mal eine ganz wichtige Entdeckung gemacht, das ist schon 25 Jahre her. Wir haben herausgefunden, dass sich, wenn Mäuse viel erleben, eine Hirnstruktur verändert, die ganz viel mit Lernen zu tun hat. Diese Veränderung passiert in den Nervenzellen. Da wuchsen neue Nervenzellen. Das war eine wirklich wichtige neue Entdeckung. Als Erstes habe ich das meinem Chef erzählt, weil wir am Mikroskop direkt nebeneinandersaßen und uns ungläubig angeguckt haben.
Zisch: Was tust du für die Gesundheit deines Gehirns?
Kempermann: Ich gehe gerne laufen, mache Yoga und habe einen interessanten Job, bei dem ich meinem Gehirn viel zu tun gebe. Und ich habe eine sehr lustige und aktive Familie, sodass ich wirklich eine tolle Umgebung und ein reizvolles Leben habe. Aktiv zu sein, körperlich und geistig, das ist das Beste, was man für die Gesundheit des Gehirns tun kann.
Zisch: Glaubst du, dass es irgendwann eine Medizin geben wird, die bewirkt, dass alle Menschen gesund im Kopf alt werden können?

Kempermann: Ich glaube nicht, dass es eine Medizin geben kann, die das Problem ganz löst. Aber ich glaube, dass wir noch weiter Fortschritte machen werden. Die letzten 50 Jahre haben schon gezeigt, dass es viele Möglichkeiten zur Verbesserung unserer Gesundheit gibt. Wir werden heute viel älter als die Menschen früher. Das ist schön, weil wir mehr Zeit haben, um tolle Dinge zu unternehmen. Aber man muss auch länger mit dem gleichen Körper und dem gleichen Gehirn klarkommen. Wir wissen heute, dass Aktivität das Beste ist, was man machen kann. Um das zu unterstützen, kann es sein, dass man vielleicht eines Tages Medikamente entwickelt. Auf jeden Fall werden wir noch vieles entdecken.

Ressort: Zisch-Texte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 01. April 2022: PDF-Version herunterladen

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