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Das Plattewiebli konnte gut fluchen

  • Antonia Flamm

  • Fr, 11. April 2014
    Zisch-Texte

In St. Peter, St. Märgen oder auf dem Kandel wurde sie oft gesichtet: Eine Geschichte über das Plattewiebli Josefa.

Im Mund die Duwakpfeife Foto: dpa
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Habt ihr schon mal die Geschichte vom Plattenwiebli gehört? Die mit ihren Haarzotteln, der Pfeife und den lumpigen Klamotten zur Legende wurde? Vielleicht habt ihr in einem Wirtshaus eine Postkarte von ihr gesehen oder Leute über sie sprechen hören. Antonia Flamm und Finja Heckmann aus der Schurhammerschule Glottertal haben ihre Geschichte aufgeschrieben.

Vor gar nicht allzu langer Zeit lebte das Plattewiebli. In St. Peter, St. Märgen oder auf dem Kandel sind ihr viele Menschen begegnet und haben über sie gelacht.

Heute hängen in manchen Wirtshäusern Postkarten von ihr. Sie zeigen ein altes, buckliges Weibervolk mit großen Ohren und Schwielen an den Händen. Auf dem Kopf trägt sie einen ausgebeulten Männerhut. Die Haarzotteln hängen um ihr verrumpfeltes Gesicht und im Mund hat sie ihre "Duwakspfeife". Das Plattewiebli war auf dem Langeckerhof droben auf der Platte daheim. Dieser Hof wurde s’Michels genannt. Das Plattewiebli wurde 1858 geboren und auf den Namen Josefa getauft.

Ihre Geschwister waren alles rechte Menschen. Zwei Brüder haben auf große Höfe geheiratet, einer ist Kaufmann und einer Uhrmacher in England geworden. Die nur 1,40 Meter kleine Josefa ist keine Schönheit gewesen, sie hat gestottert und gestakst und hat oft nicht heraus gebracht, was sie sagen wollte.

Das Schaffen hat ihr nicht so gefallen und deshalb wurde sie auch oft von ihrem Vater mit einem Kettenende geschlagen. Ihre Mutter war schon früh gestorben. Am liebsten war ihr beim Viehhüten droben am Berg. Da ist sie den lieben langen Sommer hinter dem Vieh hergelaufen oder ist an der Halde gelegen und hat den Wolken nachgeschaut.

Wenn es regnete, finster und kalt war, hat sie den ausgebeulten Männerhut tief heruntergezogen, hat einen Sack um die Schultern gelegt und die "blutten" Füße in einem frischen Kuhfladen gewärmt, so wie es alle Hirtenkinder gemacht haben. Mit 30 Jahren bekam Josefa eine Tochter, die sie sehr liebte. Als das Mädchen mit fünf Jahren an Diphtherie erkrankte und starb, verkraftete es die Mutter kaum. Meist lief Josefa Schuler barfuß herum. Sie trug drei Röcke und drei Schöben übereinander. Am liebsten hat sie sich im Wald herumgetrieben und ist in die Beeren und Pilze gegangen. Oft war erst ihr lautes Singen zu hören, bevor die Frau, die man leicht für einen Mann halten konnte, aus dem Gebüsch hervor kam.

Gerne fing sie Frösche wegen der begehrten Froschschenkel. Sie lebte hauptsächlich von Speck und Brot, trank Schwarztee und noch lieber Chriesewässerle. Das Plattewiebli war heiter und schlagfertig, konnte aber auch grob sein und fluchen, wenn ihr etwas nicht passte. Dann hob sie die Röcke, und zeigte einem das "blutte Fidle". Die große Leidenschaft ist stets das Rauchen gewesen. An ihrem Pfiefle hat sie immer die größte Freude gehabt. Wenn sie geraucht hat, ist sie zufrieden gewesen und hat lustige Sprüche geklopft. Begegnete sie Wanderern, ließ sie sich gerne fotografieren, aber nur, wenn sie Geld oder Duwak dafür bekam.

In ihren letzten Lebensjahren wusch sie sich nicht mehr und legte sich mit all ihren Kleidern auf die Ofenbank zum schlafen. Die Ofenbank war gleichzeitig auch ihr Arbeitsplatz. Dort band sie Reisigbesen, die sie verkaufte.

Im Dezember 1936 ist Josefa Schuler im Alter von 82 Jahren auf dem Langeckerhof gestorben. Ihr geliebtes Pfiefle wurde ihr ins Grab gelegt.

Auch wenn sie nun schon lange unter der Erde ist, lebt das Plattewiebli heute noch weiter. Seit Oktober 1994 gibt es im Glottertal den Fasnetsverein "Die Glottertäler Plattewiebli", die das Plattewieble mit ihrem Sitten und Bräuchen wieder aufleben lassen.

Ressort: Zisch-Texte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 11. April 2014: PDF-Version herunterladen

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