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Syrien

Der Krieg gegen Krankenhäuser

Dietmar Ostermann und Agenturen

Von & Agenturen

Mi, 17. Februar 2016

Ausland

In Syrien bombardiert vor allem das Assad-Regime Kliniken.

DAMASKUS/FREIBURG. Die jüngsten Luftangriffe auf Krankenhäuser im Norden Syriens haben heftige internationale Proteste ausgelöst. Russland und die Assad-Truppen weisen die Verantwortung von sich. Doch das Regime in Damaskus führt seit Jahren einen systematischen Krieg gegen Gesundheitseinrichtungen in Oppositionsgebieten.

Ungewöhnlich an den Angriffen auf mindestens fünf Krankenhäuser in den nördlichen Provinzen Aleppo und Idlib am Montag mit Dutzenden Toten war allenfalls der Zeitpunkt: Eigentlich sollten die Kämpfe in Syrien nach der Einigung der internationalen Mächte in München in der Vorwoche abflauen, in wenigen Tagen soll dann eine Waffenruhe folgen. Doch vor allem die von Russland unterstützte syrische Armee, aber auch Kurdenverbände rückten in den vergangenen Tagen im Norden des Landes auf bislang von gemäßigten und islamistischen Rebellen kontrolliertes Gebiet vor. Dort befanden sich die am Montag bei Luft- und Raketenangriffen zerstörten Kliniken.

Die Türkei, die von türkischem Gebiet aus die Kurdenverbände beschießt, macht daher Russland und das syrische Regime für die Angriffe verantwortlich. Auch Frankreichs Außenminister Jean-Marc Ayrault erklärte: "Die Angriffe des Regimes oder seiner Unterstützer auf Gesundheitseinrichtungen in Syrien sind inakzeptabel und müssen sofort aufhören."

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF), die eine zerstörte Klinik in Maret al-Numan unterstützt hatte, sieht die Urheber ebenfalls in Damaskus und Moskau: Der Vorsitzende von MSF in Frankreich, Mego Terzian, sagte LeMonde, die beschossenen Zonen würden von der Opposition kontrolliert. "Es wäre unlogisch, dass sie ein Krankenhaus bombardieren, das ihre Bevölkerung versorgen soll. Die vier Raketen sind klar von der Koalition abgeschossen worden, die von der Regierung von Damaskus geführt wird." Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte verwies auf Augenzeugenberichte, wonach russische Kampfjets die Klinik beschossen hätten.

Russlands Präsidentensprecher Dmitri Peskow wies die Vorwürfe empört zurück. Der Kreml verwies auf die Erklärung des syrischen Botschafters in Russland, Riad Haddad, der erklärt hatte, die russische Luftwaffe habe damit nichts zu tun. Haddad warf seinerseits den USA vor, für die Angriffe verantwortlich zu sein.

Glaubwürdig ist das Dementi nicht. Anders als die Russen fliegt die von den USA geführte Koalition keine Angriffe in den zwischen Rebellen und Regierungstruppen umkämpften Regionen der Provinzen Idlib und Aleppo, sondern konzentriert seine Luftschläge auf die von der Terrormiliz Islamischer Staat gehaltenen Gebiete im Osten.

Zwar macht die internationale Organisation Physicians for Human Rights (PHR), welche seit März 2011 alle Angriffe auf Krankenhäuser in Syrien dokumentiert, auch die US-Allianz für einen der insgesamt 336 untersuchten Vorfälle verantwortlich. Doch nur eine Kriegspartei, das Assad-Regime, führt laut PHR-Statistik einen regelrechten Krieg gegen medizinische Einrichtungen in Feindgebieten: Mindestens 85 Prozent der aufgelisteten Angriffe auf Krankenhäuser und 94 Prozent des dabei getöteten medizinischen Personals (siehe Grafik) gehen demnach auf das Konto der Regierungstruppen. Die russische Luftwaffe flog mindestens zwölf weitere Angriffe.

Ressort: Ausland

  • Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der BZ vom Mi, 17. Februar 2016:
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