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Der Macho-Chef, der seine eigene Firma ruinierte

  • Hannes Breustedt (dpa)

  • Sa, 15. August 2015
    Wirtschaft

Dov Charney machte American Apparel mit aggressiver Werbung zur Trendmarke / Jetzt gelten die Kleider nicht mehr als chic.

Ladenhüter bei   American Apparel in New York  | Foto: DPA
Ladenhüter bei American Apparel in New York Foto: DPA
NEW YORK/LOS ANGELES. Von der Trendmarke zum Ladenhüter: Vor dem Eingang von American Apparel in Lower Manhattan steht ein großes Schild mit der Aufschrift "Sale" – die Klamotten, die einst die Hipster-Herzen höherschlagen ließen, werden nun zu Schleuderpreisen angeboten. Einen Block neben dem berühmtem Delikatessenladen Katz’s gelegen, müsste das Geschäft eigentlich brummen. Doch das Gefragteste, was American Apparel hier noch zu bieten hat, sind drei Sitzbänke vor der Glasfront, die Passanten zum Ausruhen einladen.

Im Laden selbst ist wenig los. Das Unternehmen, das auch in Deutschland bei jungen Leuten sehr bekannt ist und hierzulande Läden hat, befindet sich im freien Fall. Die ehemalige Trendmarke ist längst out. Dabei ist die Filiale auf der East Houston Street, der Demarkationslinie zwischen den New Yorker Szenevierteln East Village und Lower East Side, eine Top-Adresse. Stattdessen droht der finanzielle Kollaps. Der Niedergang ist eng mit dem exzentrischen Ex-Chef, Firmengründer und langjährigen Alleinherrscher Dov Charney verbunden.

Der 46-jährige Kanadier machte die Kette groß, bevor er ihr Image mit seinen Skandalen ramponierte. Charney führte das Unternehmen mit Zuckerbrot und Peitsche. Kommentatoren sprachen von einem absurden Regime, das die Gemeinschaftskultur einer Hippie-Kommune mit dem Leistungsdiktat des Rambo-Kapitalismus kombinierte. Das Unternehmen warb damit, nicht in Billiglohnländern zu produzieren, sondern zu Hause in den USA. Eine Zeit lang galt die aggressiv-provokante Anzüglichkeit als chic, dann ging es bergab. Die Beschäftigung Illegaler flog auf, Mitarbeiterinnen warfen Charney vor, sie sexuell belästigt zu haben.

Der exzentrische Ex-Boss nannte sich Bad Daddy

Im vergangenen Jahr gelang es American Apparel, Charney loszuwerden. Doch der lässt nicht locker und kämpft mit allen Mitteln um sein Erbe. Zwischen ihm und dem neuen Management tobt eine erbitterte Schlammschlacht. Charney überzieht das Unternehmen mit Klagen, sieht sich diffamiert und fordert mehr als 40 Millionen Dollar (36 Millionen Euro) Entschädigung. American Apparel seinerseits veröffentlichte Auszüge aus einem Fundus an kompromittierenden Fotos, E-Mails, SMS und Videos, die Charney auf den Rechnern des Unternehmens gespeichert haben soll.

Die Sammlung sexistischer und rassistischer Ausfälle passt zum Eindruck des obszönen Macho-Chefs, der sich selbst Bad Daddy genannt haben soll und in einem Interview einst sagte: "Ich bin ein dreckiger Typ, aber die Leute mögen das." Das ist mehr als zehn Jahre her, damals lief es noch besser. Im vergangenen Quartal sank der Umsatz hingegen um 17 Prozent verglichen mit dem Vorjahr auf 134 Millionen Dollar. Ein Grund sei die Schließung von Filialen, teilte American Apparel Anfang der Woche auf Basis vorläufiger Geschäftszahlen mit.

Die Kette verbrennt Geld, von April bis Juni stieg der Verlust im Jahresvergleich von 16 Millionen auf fast 20 Millionen Dollar. Zunehmend existenzbedrohlich ist der Kassenstand des Unternehmens, das mit freizügigen Werbemotiven früher den Nerv des Szenevolks traf. Zum Quartalsende gab es nur noch liquide Mittel in Höhe von 13 Millionen Dollar. Mitte Oktober werden Rechnungen bei Investoren fällig, für die das Geld nicht reicht.

Die Insolvenz ist wohl nur noch eine Frage der Zeit

Die Börse hat American Apparel schon abgeschrieben. Mit 13 Cent stürzte die Aktie auf ein Rekordtief. Seit Jahresbeginn ist der Kurs um 85 Prozent gefallen. Wegen der Pleitegefahr senkte die Ratingagentur Moody’s die Bonitätsnote in den Ramschbereich. American Apparel hatte gewarnt, Kreditverträge könnten platzen. Der Streit mit Charney hat die Firma bereits in die Hände des Hedgefonds Standard General getrieben, der sie im Insolvenzfall günstig übernehmen könnte.

Ressort: Wirtschaft

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