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Der Zweite Weltkrieg: Aufwachsen im Chaos

  • Luis Gäßler, Klasse 8c, Max-Planck-Gymnasium (Lahr)

  • Fr, 23. April 2021
    Schülertexte

Wie haben Kinder in Deutschland den Krieg erlebt?.

Ein Mädchen mit seiner Puppe am Ende des Zweiten Weltkriegs  | Foto: dpa US Army
Ein Mädchen mit seiner Puppe am Ende des Zweiten Weltkriegs Foto: dpa US Army

Das Aufwachsen im Zweiten Weltkrieg war definitiv nicht leicht. Neben den schrecklichen Ereignissen im Krieg zog dieser schwerwiegende Folgen nach sich. Diese zeigten sich nach dem Krieg in brutalen Erlebnissen oder Störungen in der Familie. Dieser Artikel basiert auf Interviews, befragt wurden meine Oma H. (Ortenau) und mein Opa W. (Schwarzwald).

Am Anfang des Zweiten Weltkrieges, im sogenannten "Franzosenfeldzug", wurde Meißenheim, der Ort, in welchem meine Oma lebte, evakuiert. So mussten sie mit Wagen und Kühen in ein anderes Dorf gehen. Ein Ereignis, das ihr gut im Gedächtnis geblieben ist, ereignete sich Ende des Krieges, als die französischen Soldaten den Rhein überquerten. Am Anfang schien alles gut abzulaufen. Meine Oma, ihre Mutter und ihre Großmutter verbarrikadierten sich und winkten mit einem weißen Tuch, während die Franzosen, darunter viele Marokkaner, mit einem Panzer durch die Straße fuhren. Doch später wurde viel geplündert und Frauen wurden vergewaltigt. Meine Oma und ihre Familie versteckten sich im Garten und bemalten ihre Gesichter mit Ruß. Nach einer Weile kam ein Soldat, der ihre Hühner klaute, sie aber nicht bemerkte. Danach fanden sie Zuflucht auf dem Heuboden ihrer Scheune.

Für meine Oma war es auch schwierig, dass ihr Vater in den Krieg musste, als sie sieben Jahre alt war, und er erst zurückkam, als sie 14 war. Denn er behandelte sie immer noch, als ob sie sieben sei, da er sie nur so kannte. Aber auch für Frauen war es schwer. Sie mussten im Krieg sehr selbstständig sein – aber leider wurden viele dann später wieder in ihre Rolle als Hausfrau zurückgedrängt.

Mein Opa hat Ähnliches erlebt wie meine Oma, auch wenn sein Dorf nicht evakuiert werden musste. Ein Ereignis, an das er sich noch gut erinnert, war der Einmarsch der Franzosen, bei dem sein Onkel getötet wurde. Dieser kam in Uniform aus dem Nachbardorf und wusste nicht, dass die Franzosen schon da waren. Sofort nahmen sie ihn als Gefangenen auf ihrem Panzer mit. Er dachte, er könnte fliehen und wartete auf den richtigen Zeitpunkt, um abzuspringen. Als er absprang und versuchte, hinter ein Haus zu rennen, wurde er aber erschossen.

Trotz dieser ganzen Ereignisse waren die Soldaten zu den Kindern stets nett, und von ihnen hat mein Opa auch seinen ersten Kaugummi und seine erste Schokolade bekommen. Leider gab es nach dem Krieg trotzdem noch sehr schlimme Ereignisse, denn in Spielberg im Schwarzwald, dem Dorf, in dem mein Opa lebte, lag noch lange Munition herum. Diese wurde zwar großteils in ein eingezäuntes Lager im Wald gebracht, doch die Nachbarn meines Opas kamen leider trotzdem an die Waffen. Sie holten eine Granate aus dem Lager, zündeten sie und warfen sie über einen Graben. Dann warteten sie, bis sie explodierte. Als nichts passierte, gingen sie näher heran und einer von ihnen nahm sie hoch. Dann explodierte die Granate doch noch. Dem Jungen, der sie hielt, riss es beide Hände weg. Dem zweiten riss es den Bauch auf und der Letzte von ihnen starb sofort. Die Verletzten wurden ins Dorf gebracht und von dort mithilfe von Pferden und einem Wagen ins nächste Krankenhaus transportiert. Der Junge mit der Bauchverletzung starb später im Krankenhaus. Der andere überlebte, wenn auch ohne Hände.

Auch die Schule war damals ganz anders. Die Schulzeit unter dem Hitlerregime begann damit, dass die Schüler morgens, wenn der Lehrer in die Klasse kam, aufspringen, "Heil Hitler" rufen und den Hitlergruß machen mussten. Linkshänder wie mein Opa mussten es sich abgewöhnen, mit links zu schreiben. Außerdem gab es keine Ferien und wenn, dann nur bei großen Ernten. Freizeit hatte man auch keine, sondern man musste in der Landwirtschaft helfen. Das größte Problem war aber, dass fast alle Lehrer im Krieg waren. Bei meinem Opa gab es zwei Lehrer für acht Klassen und eine Zeitlang gab es sogar überhaupt keine Schule.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 23. April 2021: PDF-Version herunterladen

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