Eine Zensur findet nicht statt – lasen die Deutschen 1949 in ihrem neuen Grundgesetz. Irrtum: Noch 20 Jahre lang wurden heimlich Briefe geöffnet / Von Josef Foschepoth
Artikel 10 des Grundgesetzes lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig: "Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich. Beschränkungen dürfen nur aufgrund eines Gesetzes angeordnet werden." Ein solches Gesetz wurde erst 1968 verabschiedet. Hat es also vorher keine Beschränkung oder Verletzung des Post- und Telefongeheimnisses gegeben? Im Gegenteil. 20 Jahre lang wurden in der jungen Bundesrepublik staatlicherseits Briefe, Päckchen und Pakete aufgebrochen, beschlagnahmt und vernichtet, Telegramme abgeschrieben, Telefone abgehört: in einem Ausmaß, das erst jetzt durch Forschungen bekannt wird.
Bei ihrer Gründung stand die Bundesrepublik unter zweierlei Recht, dem Grundgesetz, das jeden Eingriff in das Post- und Fernmeldegeheimnis untersagte, und dem Besatzungsstatut, das den Besatzungsmächten faktisch freie Hand ließ. Davon machten die Siegermächte extensiven Gebrauch. In der französischen Zone etwa ...