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Deutschland lebenslang

  • Fr, 12. Mai 2017
    Schülertexte

Der Italiener Giuseppe Crisafulli kam als Gastarbeiter nach Deutschland – und ist geblieben.

Giuseppe Crisafulli (vorne Mitte) mit ...eunden in Giardini Naxos auf Sizilien.  | Foto: privat
Giuseppe Crisafulli (vorne Mitte) mit seinen Freunden in Giardini Naxos auf Sizilien. Foto: privat

"Quannu lu poviru veni a beni, nun c’è terra chi lu teni". Das ist ein sizilianisches Sprichwort, das auf Deutsch so viel bedeutet wie: "Wenn ein armer Mann glücklich wird, kann ihn nichts aufhalten." Mit gerade mal 25 Jahren kam der Italiener Giuseppe Crisafulli nach Deutschland. Im Rahmen von Zischup hat seine Enkelin Ella Walter, Schülerin der Klasse 8c des Freiburger Goethe-Gymnasiums, die Lebensgeschichte ihres Nonno Pippo (Nonno heißt übersetzt Großvater und Pippo ist die Kurzform von Giuseppe) protokolliert.

Giuseppe Crisafulli suchte nach seinem Glück, nach einem Leben fern von der Arbeit und der mühsamen Feldarbeit, die kaum etwas einbrachte. Also ging er auf das Arbeitsamt in Messina. Dort hatte man direkten Kontakt zu dem Arbeitsamt in Pforzheim, das meinem Nonno auch einen Job in einer Fabrik für Radios in Ittersbach bei Karlsruhe vermittelte. Das war 1960.

Giuseppe Crisafulli aus Gaggi, das ist in Sizilien, wagt den Schritt in ein neues Leben. Immerhin hatte er im Vorfeld Informationen über seinen Arbeitsplatz bekommen, somit gab es keinerlei böse Überraschungen. Damals war Deutschland auf der Suche nach Arbeitskräften, Gastarbeiter wurden sie genannt. Millionen junger Männer wurden damals eingeladen und sollten dabei helfen, das Land aufzubauen.

Nach Pippos Erzählungen verlief seine Reise sehr angenehm, es gab Essen, und alles wurde schon vorher für ihn organisiert. Nach einem Zwischenstopp in Neapel, wo er einen Gesundheitscheck über sich ergehen lassen musste, kam er endlich in Deutschland an. Mir persönlich kam diese Vorstellung sehr unangenehm vor, doch mein Großvater verneint dies.

Ist ihm damals irgendetwas aufgefallen? Sah Deutschland für ihn seltsam aus? Nonno Pippo lacht: Ganz normal sei es gewesen. Nur der Regen! Den vielen Regen mag er bis heute nicht. In Ittersbach bekam er dann sofort eine Wohnung, damals noch für 30 Mark im Monat. Verdient hat Nonno anfangs zwei Mark pro Stunde, sein Arbeitstag bei der Firma Radio Becker begann morgens um sieben Uhr und endete nachmittags um vier Uhr. In dieser Zeit durfte er natürlich auch eine Pause machen.

Seine Aufgabe in der Fabrik war es, fehlerhafte Radios zu reparieren, allerdings war dies nach einiger Zeit ein Kinderspiel, da er ja immer nur dasselbe Modell reparieren musste. Er mochte die Arbeit bei Radio Becker, da sie sehr sauber war, so sauber, dass er dort sogar mit Krawatte arbeiten konnte.

Im Jahr 1963 reiste er für circa zwei Monate nach London, eine bessere Arbeit fand er dort allerdings nicht. Später arbeitete er nochmals zwei Jahre als Fotograf in Italien, wobei er leider nicht genug Geld verdiente. 1966 kam er dann wieder zurück nach Deutschland. Insgesamt war er über 30 Jahre bei der Firma Radio Becker angestellt. Die Urkunde der Firma hängt bis heute eingerahmt in der Eigentumswohnung in Ettlingen.

Ursprünglich wollte mein Nonno nur für ein paar Jahre nach Deutschland. Aber als er 1970 meine Nonna heiratete, zog er mit ihr nach Deutschland und bekam drei Töchter. Dann sind sie hier geblieben. Die Töchter haben in Deutschland Familien gegründet. Nach Sizilien zieht es alle nur in den Ferien.

Nun arbeitet mein Großvater seit fünfundzwanzig Jahren nicht mehr, er sorgt sich jetzt allein um sein Wohlbefinden. "Ich will leben, solange wie Gott will. Ich bete jeden Tag und jede Nacht. Ich habe viele Wunder gesehen. Und ich bete zu Gott, weil der Glaube Berge versetzt."

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 12. Mai 2017: PDF-Version herunterladen

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