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"Diät zu halten, ist für mich normal"

  • Fr, 18. Dezember 2020
    Schülertexte

ZISCHUP-INTERVIEW mit einer an Zöliakie leidenden Schülerin über die Einschränkungen in ihrem Alltag.

Verboten – Nudeln, Chips, Brötchen und Brot. Wer Zöliakie hat, muss auf all das verzichten. Foto: Luisa Hermes und Katharina Sackers
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Schnell noch einen Snack beim Bäcker holen? Geht nicht. Nahrungsmittel günstig einkaufen? Eher schwierig. Mit allen zusammen auf einer Geburtstagsfeier Kuchen essen? Kann man vergessen. Für die allermeisten ist das kaum vorstellbar, doch für Menschen mit Zöliakie ist genau das der Alltag. Carina* hat Zöliakie. Im Gespräch mit Luisa Hermes und Katharina Sackers, Schülerinnen der Klasse 9c des Erasmus-Gymnasiums in Denzlingen, erzählt die Jugendliche, wie sie damit klar kommt.

Zischup: Wie bekommt man Zöliakie?
Carina: Zöliakie ist vererbbar oder entsteht durch verschiedene Zusammenhänge in der Genetik. Meistens hat sie also schon vorher jemand aus der Familie gehabt oder hatte die Veranlagung dafür. Man kann die Zöliakie aber nicht entwickeln, indem man etwas Bestimmtes tut.

Zischup: Ist Zöliakie heilbar?
Carina: Nein, Zöliakie ist nicht heilbar. Es ist nur so, dass die Symptome durch das Einhalten der Diät, also keine Aufnahme von Gluten, abklingen. Es kann aber nicht sein, dass man plötzlich wieder ohne Probleme Gluten essen kann. Bisher gibt es auch noch keine Medikamente dagegen, daran wird, soweit ich weiß, aber gearbeitet.

Zischup: Wann und wie hast du herausgefunden, dass du Zöliakie hast?
Carina: Die ersten Symptome sind aufgetreten, als ich anderthalb Jahre alt war, da ich in diesem Alter angefangen habe, glutenhaltige Babynahrung zu essen. Wie andere Kleinkinder hatte ich einen Blähbauch, nur, dass er bei mir nicht weggegangen ist. Meine Tante hat dann irgendwann gesagt, dass das nicht normal ist und dass wir das doch lieber mal überprüfen lassen sollten. Als ich drei war, haben wir dann durch einen Bluttest und eine Biopsie, die Entnahme eines winzigen Stückchens aus dem Dünndarm, herausgefunden, dass ich Zöliakie habe.

Zischup: Wie reagieren andere darauf, dass du Zöliakie hast?
Carina: Meistens fragen die anderen dann, was genau ich habe und was das ist, aber es gibt auch negative Reaktionen, wo die Leute dann zum Beispiel sagen: Ach, das Brötchen kannst du doch mal essen, das wird dir ja nicht schaden. Das ist dann ziemlich blöd, denn es schadet mir eben schon. Aber die meisten fragen einfach nur, was ich nicht essen darf und was schon, und versuchen dann irgendwie darauf zu achten.

Zischup: Welche Einschränkungen hast du durch die Zöliakie?
Carina: Essen gehen oder sich kurz beim Bäcker was kaufen, das kann ich nicht. Beim Bäcker kann ich eigentlich nie was kaufen, außer es gibt ein spezielles Programm mit einzelnen glutenfreien Sachen. Auch Kuchen ist schwierig oder wenn in Restaurants nicht erlaubt wird, eigenes Essen mitzubringen. Dann gehen wir auch meistens gleich wieder. Fast immer ist das aber kein Problem. Auch in anderen Situationen kommt man mit Gluten in Berührung, in Lippenstift ist meistens Gluten oder auch in Nagellack. Den isst man zwar nicht, wenn man sich aber zum Beispiel beim Essen die Finger ableckt und ein Stück abbricht, ist das schon eine Menge, die machen Leuten schaden kann. Auch bei Sonnenmilch hatte ich schon das Problem.

Zischup: Wie gehst du in der Schule damit um?
Carina: In der Schule mache ich es einfach so, dass ich glutenfreies Essen für die Pause mitnehme. Für die Mittagspause nehme ich mir auch etwas von zuhause mit, was ich dann in der Mikrowelle der Mensa warm mache, da es dort nichts gibt, was ich essen kann. Falls ich mal mein Essen vergesse, habe ich auch immer etwas im Spind auf Vorrat, denn die anderen können mir ja logischerweise nichts abgeben. Auch wenn ich mal woanders mein Essen vergessen habe, muss ich eben schauen, ob es irgendwo etwas Glutenfreies gibt, sonst esse ich halt nichts.

Zischup: Passiert es oft, dass du aus Versehen Gluten isst?
Carina: In den letzten Jahren waren es immer so ein bis zwei Mal im Jahr. Das letzte Mal habe ich Kekse von einer Marke gegessen, deren Produkte normalerweise kein Gluten enthalten, und da wir dachten, dass die Kekse glutenfrei sind, haben wir auch nicht so genau hingeschaut. Einmal wollten wir auch im Internet glutenfreie Nudeln kaufen, weil sie dort meistens günstiger sind, es war dann aber doch Gluten drin, obwohl sie uns als glutenfrei angezeigt wurden.

Zischup: Ist der Unterschied zwischen glutenfreiem und normalem Essen groß?
Carina: Da kann ich jetzt logischerweise nicht aus Erfahrung sprechen, aber nach den Erzählungen von meinen Freunden und meiner Familie schmecken glutenfreie Sachen manchmal süßer, und was ich auch selbst merke, ist, dass sie viel bröseliger sind. Sonst gibt es aber nicht so einen großen Unterschied.

Zischup: Wodurch werden glutenhaltige Zutaten, wie Mehl, dann ersetzt?
Carina: Weizen- oder Gerstenmehl werden meistens durch Reis-, Mais- oder Buchweizenmehl ersetzt, das sind so die gängigsten drei glutenfreien Mehlarten. Die meisten glutenfreien Marken verkaufen aber Mehlmischungen, da das Ergebnis so besser wird.

Zischup: Kann man überall glutenfreie Nahrungsmittel kaufen?
Carina: Nein. Natürlich gibt es Sachen wie Obst und Gemüse, was sowieso glutenfrei ist, es gibt aber definitiv nicht überall glutenfreies Essen. In den meisten großen Supermärkten findet man aber schon glutenfreie Produkte.

Zischup: Was bedeutet die Zöliakie für dein Leben?
Carina: Weil ich die Zöliakie schon habe, seit ich ganz klein bin, ist es für mich eigentlich ganz normal, die Diät einzuhalten. Oft fällt es mir auch gar nicht mehr auf, dass ich etwas anderes esse und manchmal ist es sogar ein Vorteil, da ich zum Beispiel zu Geburtstagsfeiern mitnehmen kann, was ich essen möchte, während die anderen vielleicht eine Kuchensorte essen, die ich gar nicht mag. Meistens ist es auch so, dass die Eltern meiner Freundinnen sowieso glutenfrei kochen, wenn ich zu Besuch bin. Wenn man weiß, wie man damit umgehen muss, ist es nicht schwierig, auch wenn es viele Einschränkungen gibt.
* Nachnamen wollte Interviewte nicht nennen

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 18. Dezember 2020: PDF-Version herunterladen

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