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Die Geister der Vergangenheit

Bettina Schulte
  • Do, 27. Januar 2022
    Kino

Zwei Dokumentarfilme zum Holocaust-Gedenktag.

<BZ-Autor_U></BZ-Autor_U>Ursula Becker Levi bei der Arbeit  | Foto: Angelika Levi
Ursula Becker Levi bei der Arbeit Foto: Angelika Levi 
Der eine Film datiert von 2003, der andere ist bereits 1970 entstanden. Der eine, die Dokumentation von Angelika Levi, beschreibt das Leben ihrer Mutter, die 1926 in Hamburg als Tochter eines jüdischen Vaters und einer nichtjüdischen Mutter geboren wurde, den Nationalsozialismus behütet überlebte, nach dem Krieg mit Mutter und Bruder nach Chile auswanderte, wohin ihr Vater geflüchtet und sich von der Familie entfremdet hatte. "Mein Leben Teil 2" nimmt sich fast 90 Minuten Zeit für die Annäherung an Ursula Becker Levi, die während der Vorbereitungen 1996 gestorben ist.

Ihre Mutter Karla Heins Levi trotzte den Nazis – wie, das wird nicht deutlich. Die Tochter kehrte als Botanikern mit einem Stipendium nach Deutschland zurück – und lernte ihren Mann kennen, einen evangelischen Pfarrer. Die Bilder der Hochzeit zeigen eine strahlende junge Frau, doch das Glück hält nicht lange an. Nach der Geburt ihrer beiden Kinder wird Ursula Becker Levi sterbenskrank und schwer depressiv. Sie fühlt sich ausgeschlossen und verfolgt von ihrer eigenen Familie: Die Geister der Vergangenheit kehren zurück. Sie waren nie verschwunden: Das ist die Botschaft des Films: Angelika Levis Mutter wird zum zweiten Mal Opfer – unverstanden von ihrem Mann, heimatlos zwischen Juden- und Christentum, Chile und Deutschland. Er macht deutlich, dass der Schrecken des Nationalsozialismus nicht mit dem Krieg geendet hat. Aber, wie der Berliner Rabbiner Rothschild sagt: Man muss pragmatisch sein, wenn man leben will.

Am zweiten Film, Peter Nestlers "Zigeuner sein", überrascht vor allem das Entstehungsdatum. Wer hätte sich 1970 – fünf Jahre nach dem Ende des Auschwitzprozesses – für das Schicksal von Sinti und Roma im Nationalsozialismus interessiert? Mit einfachsten filmischen Mitteln und größter Sensibilität bringt der 1937 in Freiburg geborene Filmemacher die Opfer der mörderischen Rassenpolitik zum Sprechen. Der erste Prozess um das "Zigeunerlager" Auschwitz fand erst 1987 in Siegen statt.

"Zigeuner sein": Heute, 20 Uhr, Delphi Space, Freiburg, Bismarckallee 19-20.
"Mein Leben Teil 2": Heute und 3. Februar, 19.30 Uhr, Kommunales Kino, Freiburg, Urachstraße. 40

Ressort: Kino

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