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"Eine Salve kann zum Krieg führen"

Stefan Scholl
  • Mo, 21. Februar 2022
    Ausland

Im Donbass verschärfen sich die Kämpfe pro-russischer Separatisten gegen die ukrainische Armee / 40 000 Menschen evakuiert.

Ein ukrainischer Soldat in der Donbass-Region.  | Foto: ANATOLII STEPANOV (AFP)
Ein ukrainischer Soldat in der Donbass-Region. Foto: ANATOLII STEPANOV (AFP)
Schüsse und Salven knallen, schwer bewaffnete Krieger kauern hinter Stahlschildern, einer steht ungeschützt auf der nächtlichen Straße und schießt eine Panzerabwehrgranate auf das Haus ab, indem sich angeblich ukrainische Terroristen verschanzt haben. "Ein gefangener Guerillero legte beim Versuch zu fliehen eine Granate in die Hand eines liquidierten Mitglieds der Gruppe", so der Sprecher des Rebellensenders Oplot TV. Die Kamera fährt auf eine reglos am Boden liegende Gestalt zu. "Granate!", brüllen Rebellenkrieger. Es bleibt unklar, ob sie noch explodiert. Und ob der ganze Kampf nicht doch nur ein Schauspiel gewesen ist.

Am Sonntag meldeten die Staatssicherheitsorgane der Donezker Rebellenrepublik, sie hätten am Samstag nach blutigem Kampf eine Diversantengruppe der Ukrainer gefangen genommen, die in Donezk Gasleitungen, Kläranlagen und Stromwerke in die Luft jagen wollte. Die Ukrainer bombardieren und attackieren, blutig und aggressiv, sie töten Zivilisten, aber die Separatistenmiliz wehrt sie sieghaft ab – dieses Narrativ verbreiten die Medien Russlands sowie der ostukrainischen Rebellenrepubliken Donezk und Lugansk seit mehreren Tagen. Das russische Verteidigungsministerium reagierte vorerst nur mittelbar. Es verlängerte die russisch-weißrussischen Manöver in Belarus, die eigentlich am Sonntag hätten enden sollen, auf unbestimmte Zeit.

Nach Angaben des Lugansker Informationszentrum der Separatisten versuchte am Sonntag gegen fünf Uhr morgens eine ukrainische Sturmbrigade bei der Ortschaft Pionerskoje die Rebellenverteidigung zu durchbrechen, tötete zwei Zivilisten und zog sich unter Verlusten wieder zurück. Am Morgen soll die ukrainische Artillerie eine Chemiefabrik in Donezk beschossen haben. Die Lugansker Rebellen meldeten 18 feindliche Beschüsse in den vergangenen 24 Stunden, die Ukrainer über 20 und einen eigenen Verletzten. Für Samstag hat die OSZE-Beobachtergruppe im Donbass etwa 2000 Verstöße gegen die Waffenruhe registriert, am Vortag waren es 1600 gewesen, am Donnerstag 870. Am heikelsten waren dabei drei mutmaßlich ukrainische Geschosse, die laut der russischen Agentur Tass am Samstag im russischen Landkreis Tarasowski einschlugen. "Die Provokationen sind sehr gefährlich", kommentierte Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj am Sonntag auf der Münchner Sicherheitskonferenz. "Eine Salve, ein Kanonenschuss, kann zum Krieg führen." Kremlnahe Beobachter kündigen seit Tagen Selenskyjs Befehl zum Großangriff auf die Rebellenrepubliken an. Aber der Ukrainer versichert seit Wochen, der Donbasskonflikt sei nur mit diplomatischen Mitteln zu lösen. Er schlug Putin ein persönliches Treffen vor. Laut dem russischen Katastrophenschutz wurden von 2,2 Millionen Donbass-Einwohnern etwa 40 000 evakuiert und trafen in Russland ein. Zudem riefen die Rebellen die allgemeine Mobilmachung für alle Männer zwischen 18 und 55 Jahren aus.

Ressort: Ausland

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