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Neustart nach 26 Jahren: Am Montag startet die dritte Staffel "Twin Peaks"
David Lynchs „Twin Peaks“ ist die Mutter aller Kultserien – nach 26 Jahren Pause startet nun die heiß erwartete dritte Staffel. Vor dem Start schauen wir zurück auf den Hype und den Charme der Show.
Wer den Hype um David Lynchs erste und einzige, Anfang der Neunziger entstandene Fernsehserie verpasste und diese popkulturelle Lücke nie geschlossen hat, schafft es mit etwas Ehrgeiz vielleicht, bis zum Start alle davor erschienenen 30 Folgen der ersten Staffeln nachzuholen. Denn für Kurzzusammenfassungen hat "Twin Peaks" nie getaugt: Die Handlungsstränge sind so verwirrend, dass RTL bei der deutschen Erstausstrahlung 1991 sogar eine Hotline einrichtete, über die eine freundliche Mitarbeiterin offene Fragen klärte.
"Wer tötete Laura Palmer?" Knappe drei Folgen lang tat "Twin Peaks" so, als gehe es um diese einfache Frage. Die Reihe gab vor, eine Kleinstadt-Krimiserie mit einer Schar skurriler Hinterwäldler und einem noch skurrileren, koffeinliebenden FBI-Agenten ("Verdammt guter Kaffee!") zu sein, der den Mord an der beliebtesten Tochter des Provinznests Twin Peaks aufklären soll. Doch dann ließen David Lynch und sein Co-Produzent Mark Frost ausführliche Traumsequenzen mit tanzenden Zwergen und einen die Zukunft vorhersagenden Riesen auf die Zuschauerinnen und Zuschauer los. Und Killer Bob, den wohl gruseligsten Mörder, den es je im Fernsehen gegeben hat.
Der langhaarige Mann mit Jeansjacke und irrem Blick erscheint zunächst in Spiegelreflexionen, Visionen und Träumen. Dann hockt er in Ecken und hinter Betten; irgendwann lässt Lynch ihn 30 Sekunden durch das Wohnzimmer von Laura Palmers Familie auf die Kamera hinkriechen, über ein Sofa hinweg. Der Zuschauer hat keinen Ausweg, die albtraumhafte Szene hinterlässt ein erschütterndes Gefühl der vollkommenen Paralyse.
Überhaupt war das Gefühl bei "Twin Peaks" letztendlich wichtiger als die Handlung. Wer sich fragte, was denn an all den seltsamen Kleinigkeiten der Sendung jetzt wichtig und was unwichtig war, konnte mit der Serie nicht glücklich werden. Warum bellten die Highschool-Boys Bobby und Mike nach ihrer Festnahme wie Hunde? Warum schon wieder diese lange Einstellung auf nächtliche Bäume im Wind? Warum gucken die Bewohner von Twin Peaks so leidenschaftlich die TV- Soap "Invitation to Love"? Warum flackert dauernd das Licht? Warum läuft die Log Lady mit einem Holzscheit herum? Und was bedeutet die Prophezeiung "Die Eulen sind nicht, was sie scheinen"?
Antworten auf diese Fragen gab es – wenn überhaupt – nur selten, und wenn, dann warfen sie nur mehr Fragen auf. "Twin Peaks" musste man in seiner ganzen Vielschichtigkeit als Sendung zwischen Soap, Melodrama, Krimi und übernatürlichem Thriller einfach akzeptieren und zelebrieren – dann war der Spaß am größten.
Denn die ersten beiden Staffeln "Twin Peaks" hatten neben totaler Absurdität viel zu bieten: mit viel Liebe gezeichnete oder – wie im Fall von Killer Bob – spontan entworfene Charaktere, fantastischen Szenenhumor mit großartigen Onelinern und den herausragenden Soundtrack von Angelo Baladamenti. Und dann war da noch der große philosophische Überbau: Die Frage nach dem Guten und dem Bösen in jedem von uns. Und die Frage: Was würden wir tun, um die, die wir lieben, vor dem Bösen zu retten?
Der "Twin Peaks"-Kult war wohlkalkuliert: Vor dem Deutschlandstart schaltete RTL Todesanzeigen für Laura Palmer und machte Werbeaktionen vor Programmkinos, um Lynch-Fans zu erreichen. Der Medienhype war groß – dann verriet Sat 1, wer der Mörder von Laura war: Killer Bob, klar, aber so einfach war die Antwort dann doch nicht. Nach der Enthüllung sanken die Einschaltquoten, die Serie wurde schließlich zu Tele 5 abgestellt. Nur echte Fans kamen dort in den Genuss der letzten Folgen – und den wahnhaften letzten 20 Minuten mit dem wohl verstörendsten Cliffhanger der Seriengeschichte, der hier nicht verraten sei.
1992 lieferte Lynch den Prequel-Spielfilm "Fire walk with me" nach – ein Geschenk an die Fans. Seither haben diese ihre Zeit mit Internet-Diskussionen verbracht, Doktorarbeiten geschrieben, sich alljährlich beim "Twin Peaks Festival" in Snoqualmie, Washington oder in der Twin-Peaks-Bar "The Black Lodge" in Berlin getroffen und auf neue Folgen gehofft. Nun wird ihr Wunschtraum war: Die Serie kehrt zurück – 18 Stunden neues Material mit vielen Original-Schauspielern. Werden Fans Antworten auf all ihre Fragen bekommen? Bestimmt nicht. Aber es wird sicher ein wunderschön anzusehendes, verstörendes Abenteuer.
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