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Die Regeln der Gesellschaft

  • Sascha Westphal

  • Do, 20. August 2015
    Kino

LITERATURVERFILMUNG: "Boy 7" von Özgür Yildirim.

David Kross als Sam   | Foto: dpa
David Kross als Sam Foto: dpa
Am Anfang ist alles erst einmal in ein schier undurchdringliches Dunkel getaucht. Als der 18-jährige Sam (David Kross) in einem Hamburger U-Bahn-Tunnel zu sich kommt, erinnert er sich an gar nichts. Die einzige Spur, die er in seiner Kleidung findet, führt ihn zu einem versteckten Tagebuch. Sam ist "Boy 7", ein jugendlicher Hacker, der statt ins Gefängnis in ein Hochsicherheitsinternat der "Kooperation X" gesteckt wurde. Dort sollte er zum einen lernen, sich den Regeln der Gesellschaft zu fügen, und zum anderen seine ganz speziellen Talente weiter ausbauen. Nur ist Sam schon bald auf sinistre Vorgänge in dem von Direktor
Fredersen (Jörg Hartmann) und seiner rechten Hand Isaak (Jens Harzer) geleiteten Institut aufmerksam geworden.

Natürlich lag es nahe, Mirjam Mous’ erfolgreichen Roman für die Leinwand zu adaptieren. Düstere Zukunftsvisionen, in
denen sich Jugendliche gegen die Machenschaften mehr oder weniger faschistischer Herrscher auflehnen, haben Konjunktur. Also sucht Özgür Yildirim mit seiner SciFi-Dystopie gezielt die Nähe zu der Tribute-von-Panem-Reihe. Dennoch geht ein ästhetischer Riss durch "Boy 7". Yildirim hat weitaus größere Ambitionen. Nicht ohne Grund trägt der Direktor der "Kooperation X" den gleichen Nachnamen wie der Herrscher über Metropolis bei Fritz Lang. Yildirim sucht mit seinen schrägen Kamerawinkeln und seinem düstergrauen Look ganz bewusst die Nähe zum deutschen Expressionismus. Dazu passt dann auch Jens Harzers exaltiertes Spiel perfekt. Mit seinen dick aufgetragenen Manierismen und seiner schon ans Selbstverliebte grenzenden Dämonie stellt Harzers Isaak selbst die flamboyanten Schurken aus den Panem-Filmen in den Schatten.

Aber es ist genau dieses "Zuviel", das "Boy 7" braucht, um sich aus den Ketten seiner doch eher generischen Story zu befreien. Letztlich triumphiert zwar das Genre mit seinen vorhersehbaren Wendungen über Yildirims ästhetische Ausbruchsversuche. Aber für einzelne Momente besticht "Boy 7" mit einer atmosphärischen Dichte und rasanten Dynamik.

"Boy 7" von Özgür Yildirim läuft in Freiburg, Lörrach und Offenburg. (Ab 12)

Ressort: Kino

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 20. August 2015: PDF-Version herunterladen

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