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Ein märchenhafter Stoff wird als Märchen erzählt

  • epd

  • Do, 22. November 2018
    Kino

FAMILIENFILM: "Charles Dickens: Der Mann, der Weihnachten erfand" über die Entstehungsgeschichte von "A Christmas Carol".

Dan Stevens (li.), Christopher Plummer   | Foto: dpa
Dan Stevens (li.), Christopher Plummer Foto: dpa
Charles Dickens (Dan Stevens), mit knapp 30 Jahren bereits ein reicher und berühmter Autor, bewohnt mit seiner Familie ein luxuriöses Haus in London. Seine Bücher "Nicholas Nickleby" und "Barnaby Rudge" aber konnten an den Erfolg von "Oliver Twist" nicht heranreichen, und so sind seine Verleger nicht länger bereit, den aufwändigen Lebensstil vorzufinanzieren. Als er eine Weihnachtsgeschichte vorschlägt, winken sie ab. Doch Dickens ist überzeugt von seiner Idee, einen alten geizigen Mann durch die vergangene, gegenwärtige und zukünftige Weihnacht zu führen und daraus als geläutert hervorgehen zu lassen.

Dieser Ebenezer Scrooge tritt in Bharat Nalluris Verfilmung der Entstehungsgeschichte von "A Christmas Carol" nun in Gestalt von Christopher Plummer in Dickens’ Leben und fordert hartnäckig seine Geschichte, selbst wenn die Schreibhemmung den Autor überfällt. Dickens sucht sich schließlich einen Illustrator und bringt das Buch unter großem Zeitdruck zu Weihnachten im Selbstverlag heraus. Was wie ein spannendes Rennen gegen Termin und Erwartungen klingt, wird auf der Leinwand zum opulent ausgestatteten Märchenspiel. Die Zauberwelt des Textes wird in die Darstellung seiner Entstehung übernommen, Wirklichkeit und Fiktion verschmelzen zu einem Puppenspiel aus der Trickkiste.

Die Novelle "A Christmas Carol" von 1843 gilt heute, noch vor "Oliver Twist" und "David Copperfield" als das bekannteste und beliebteste Werk des Autors. Es wurde mehr als 25 mal verfilmt, erstmals 1901 in einem britischen Kurzfilm: Der Stoff selbst ist also hinlänglich visualisiert worden. Das Leben von Dickens selbst wäre da interessanter – und war vielleicht weit prosaischer. Nalluri aber will den märchenhaften Stoff als Märchen erzählen. Das mag vielleicht besser zu Weihnachten passen und ins Raster des Familienfilms, aber der Zeit, in der Texte wie "Oliver Twist" entstanden, wird es nicht gerecht. Schade, dass Nalluri so stark auf Tricks und Ausstattung setzt und den Kräften der realistischen Unterhaltung nicht traut.

Sein Dickens ist kaum mehr als ein flatterhafter Lebemann, der seine Töchter liebt und seine Frustrationen am Dienstmädchen auslässt. Aus den Klischees, die hier angehäuft werden, kommt der Film nicht mehr heraus.

"Charles Dickens: Der Mann, der Weihnachten erfand" (Regie: Bharat Nalluri) läuft in Freiburg und Offenburg. Ab 6.

Ressort: Kino

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 22. November 2018: PDF-Version herunterladen

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