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"Es geht darum, Schaden von Jugendlichen abzuwenden"

  • Mo, 11. April 2016
    Südwest

BZ-INTERVIEW:Der Freiburger Toxikologe Volker Auwärter hält ein Umdenken in der Drogenpolitik für notwendig .

Volker Auwärter   | Foto: Uniklinik
Volker Auwärter Foto: Uniklinik

Beim Kauf von Lebens- und Arzneimitteln kann der Verbraucher sich über die Bestandteile und Nebenwirkungen informieren – nicht so beim Drogenkonsum. Sollte der Staat erlauben, illegale Substanzen zu prüfen? Nadine Zeller hat darüber mit dem Freiburger Toxikologen Volker Auwärter gesprochen.

BZ: Herr Auwärter, beim Drug-Checking lassen Drogenkonsumenten illegale Substanzen prüfen, ohne strafrechtlich belangt zu werden. Ist das nicht absurd?

Auwärter: Es ist illegal, Drogen zu besitzen. Erwischen Polizisten Konsumenten beim Drug-Checking, könnten sie für deren Besitz bestraft werden. Das stimmt. Deswegen macht so ein Angebot nur Sinn, wenn es mit der Staatsanwaltschaft und der Polizei Absprachen gibt und diese sich bereit erklären, das Drug-Checking zu dulden. In der Schweiz, Österreich und Holland funktioniert das sehr gut.

BZ: Darf die Polizei das aus rechtlicher Sicht?

Auwärter: Bei den Drogenkonsumräumen funktioniert es doch auch. Sie sind in einigen Bundesländern eingerichtet worden, um Infektionskrankheiten zu verhindern. Dort können Drogenabhängige sauberes Spritzbesteck, Pflaster und Tupfer bekommen und die mitgebrachte Droge unter Aufsicht konsumieren. Das ist letztlich vom politischen Willen der Landesregierung abhängig. Ich meine, dass man sich gegenüber pragmatischen Ansätzen, die die Risiken für Konsumenten mindern, nicht verschließen sollte.

BZ: Man könnte auch sagen, dass Drogen ein Qualitätssiegel bekommen.

Auwärter: Beim Drug-Checking klären Fachkräfte über Gefahren auf und können sich direkt auf die analysierte Substanz beziehen. Das Drug-Checking hat dabei auch eine Lockvogelfunktion. So erreicht die Beratung die Konsumenten frühzeitig und nicht erst, wenn es zu spät ist.

BZ: Ist diese Art von Rauschkompetenz überhaupt wünschenswert?

Auwärter: Ja, natürlich. Es geht doch darum, Schaden auch von Jugendlichen abzuwenden, die sich von dem Verbot nicht abschrecken lassen. Dazu müssen sie lernen, welche Kombinationen sie vermeiden sollten. Gerade der Mischkonsum – also beispielsweise Kokain und Alkohol – ist sehr gefährlich. Es gibt etliche dieser Beispiele. Generell wird der Alkohol unterschätzt, obwohl der zu den gefährlichsten Drogen überhaupt gehört. Dennoch darf er beworben werden.

BZ: Heißt das, dass Drogen wie Crystal-Meth legalisiert werden sollten?

Auwärter: Etwas für legal zu erklären, ist etwas anderes, als den Eigenbedarf zu tolerieren. Wenn der Staat eine Substanz legalisiert, billigt er deren Verkauf. Das wäre falsch. In Deutschland haben wir jedoch eine unangemessene Strafbarkeit, was den Besitz von Drogen zum Eigenverbrauch betrifft. Auch viele Rechtsexperten sehen das so.

BZ: Setzt sich Drug-Checking durch?

Auwärter: Aus wissenschaftlicher Sicht herrscht ein klarer Konsens über die Vorteile des Drug-Checking. Die Parteien zögern dennoch, weil befürchtet wird, Wählerstimmen zu verlieren. In Deutschland herrscht immer noch die zynische Meinung vor: Wer konsumiert, ist selbst schuld. Wieso soll für diese Leute Geld ausgegeben werden? Dabei ist der Ansatz "Wir stellen Drogenbesitz unter Strafe, weil wir glauben, dass die Leute es dann bleiben lassen" gescheitert. In Hessen steht das Drug-Checking jedenfalls schon längst im Koalitionsvertrag.

Volker Auwärter, 45, ist forensischer Toxikologe am Institut für Rechtsmedizin der Uniklinik Freiburg. Er ist Spezialist für Drogenanalytik.

Ressort: Südwest

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mo, 11. April 2016: PDF-Version herunterladen

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