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"Es ist ein bisschen wie Spielen"

  • Benjamin Engel, Klasse 4b, Hebelschule (Rheinfelden-Nollingen)

  • Fr, 02. Juli 2021
    Zisch-Texte

ZISCH-INTERVIEW mit dem Astrophysiker Matthias Sperl, der schon mit Raumfahrer Alexander Gerst zusammengearbeitet hat.

Matthias Sperl zusammen mit der italie...xperiment während eines Parabelflugs.   | Foto: Privat
Matthias Sperl zusammen mit der italienischen ESA-Astronautin Samantha Cristoforetti bei einem Experiment während eines Parabelflugs. Foto: Privat

Als ich, Zisch-Reporter Benjamin Engel aus der Klasse 4b der Hebelschule in Rheinfelden-Nollingen, geboren wurde, bekam ich eine Kuscheltier-Maus geschenkt. Sie sieht aus wie die Maus aus der Sendung mit der Maus. Diese Maus hatte mein Interviewpartner schon einmal im Flugzeug bei einem Parabelflug mit dabei. Er ist der Astrophysiker Professor Matthias Sperl vom Institut für Materialphysik im Weltraum am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln. Matthias Sperl ist weitläufig mit mir verwandt, daher duze ich ihn.

Zisch: Was arbeitest du genau?
Sperl: Wir bereiten bei uns am Institut Experimente für die Raumstation vor.

Zisch: Wie lange machst du diesen Beruf schon?
Sperl: Ich bin seit 2007 am DLR und war vorher schon in den USA als Physiker im Labor angestellt.

Zisch: Was hast du studiert?
Sperl: Ich habe in München und Illinois Physik studiert und nebenbei etwas Mathematik und einen Kurs in Soziologie.

Zisch: Warum wolltest du diesen Beruf lernen?
Sperl: Naturwissenschaftler haben oft schon in der Schule eine Begeisterung für Mathe oder auch Chemie und Biologie, und das war bei mir genauso. Daher wollte ich das dann auch als Beruf machen.

Zisch: Wie lange arbeitest du schon?
Sperl: Ich arbeite seit etwa 20 Jahren als Physiker.

Zisch: Was gefällt dir an der Arbeit und warum?
Sperl: Ich bin sehr gerne Physiker, weil ich kindlich neugierig sein darf und Geld dafür bekomme. Ich darf mir Fragen stellen, zum Beispiel: Wie verhält sich Sand in Schwerelosigkeit, wie kann man mit Sand auf der Raumstation spielen? Das machen wir natürlich ein bisschen professioneller, als dass wir den Sand einfach durch die Gegend schmeißen: Aber man darf sich als Naturwissenschaftler spannende Fragen überlegen und versuchen, die mit Methoden, die einem zur Verfügung stehen, umzusetzen. Es ist wie Spielen, nur muss man am Ende halt aufschreiben, was man gelernt hat, damit man so auch das Geld rechtfertigt, das man dafür bekommt. Wir sind nicht rein Spaß getrieben, aber es macht Freude, etwas auszuprobieren und wenn es dann funktioniert, sind wir sehr stolz darauf, dass wir was geleistet haben.

Zisch: Was gefällt dir nicht an deiner Arbeit?
Sperl: Das ist tatsächlich relativ wenig. Aber man muss natürlich, wenn man mit mehreren Leuten zusammenarbeitet, auch immer kucken, dass genügend Geld da ist, damit ich meine Miete zahlen kann, und dass meine Mitarbeiter ihre Miete zahlen können. Da muss man gewisse Regeln einhalten, Formulare ausfüllen – und diese Dinge sind nicht so spannend wie das eigentliche Forschen. Damit alles läuft, muss man also auch Dinge machen, die keinen Spaß machen.

Zisch: War der Beruf schon dein Kindheitstraum?
Sperl: Mein Kindheitstraum war schon, Physiker zu werden. Dass ich jetzt in Richtung astronautischer Raumfahrt unterwegs bin, das hat sich im Laufe der Jahre so ergeben.



Zisch: Warst du schon mal bei einem Parabelflug dabei, und wenn ja, wie fühlt es sich an?
Sperl: Ich war schon bei ganz vielen Parabelflügen mit dabei. Das ist der Test, den wir machen, wenn wir eine neue Idee haben. Diese probieren wir dann erst einmal bei einem Parabelflug aus. Das hat den großen Vorteil, dass man da mitfliegen kann, und wenn etwas schief geht, kann man noch schnell etwas umbauen oder umprogrammieren. Wie geht’s einem nun dabei? Man muss sich darauf konzentrieren, was der Körper macht oder nicht machen soll, und man darf vor allem den Kopf nicht wild bewegen. Sonst geht’s einem wirklich so, dass man sich übergeben muss. Das ist mir auch schon passiert. Man kann da als Trick ein Beruhigungsmittel für den Magen nehmen, dann geht es einem tatsächlich relativ gut. Wenn dann im Verlaufe eines Vier-Stunden-Parabelflugs die Medikamente nachlassen und der Übermut steigt, dann kann es sein, dass man am Ende doch nochmal die Tüte braucht. Es ist aber ein fantastisches Gefühl, weil die Schwerelosigkeit, die man im Parabelflug hat, so ähnlich ist, wie wenn man im Wasser schwebt. Allerdings hat man da nicht das Wasser, das einem Widerstand liefert, sondern man ist völlig frei und kann relativ leicht von einer Ecke des Flugzeugs zur anderen schweben.

Zisch: Kennst du den Raumfahrer Alexander Gerst?
Sperl: Ja, ich kenne Alexander Gerst. Ich habe für seine beiden Missionen 2014 und 2018 im Missionsteam Experimente mitvorbereitet und habe ihn auch von der Bodenkontrollstation aus unterstützt, damit er oben alles richtig und gut durchführen konnte.

Zisch: Ich habe mal eine Sendung mit der Maus gesehen, da hat Alexander Gerst etwas erklärt und dich erwähnt. Dass du etwas auf der Erde ausprobiert hast und die Ergebnisse ins Weltall geschickt hast.
Sperl: Das ist etwas Schönes bei meiner Arbeit, dass wir sehr intensiv mit Astronauten zusammenarbeiten und zum Teil auch trainieren, dass sie die Dinge alle richtig machen.

Zisch: Was war das Aufregendste bisher bei deiner Arbeit?
Sperl: Das Aufregendste bei dem, was wir machen, ist immer, dass die Zeit drängt. Wenn man sich den Parabelflug vorstellt: Der geht morgens um acht Uhr los und bis dahin muss auch der Versuch fertig sein. Wenn der Versuch nämlich nicht fertig ist, weil man ein Bauteil kaputt gemacht hat am Vortag oder weil beim Programmieren etwas schief gegangen ist, dann darf man nicht mitfliegen. Das ist dann manchmal schon ziemlich stressig, weil man natürlich erreichen will, dass die Astronauten auf dem Parabelflug den eigenen Versuch machen können.

Parabelflug

Ein Parabelflug ist ein Manöver mit einem Flugzeug, bei dem Schwerelosigkeit hergestellt werden kann. Dabei fliegt das Flugzeug zunächst steil nach oben und anschließend wieder steil nach unten und beschreibt so in der Luft die Form einer Parabel. Das ist eine mathematische Kurve. Auf Parabelflügen werden Astronauten auf die Erfahrung der Schwerkraft vorbereitet. Außerdem werden Parabelflüge für naturwissenschaftliche Experimente genutzt. Erfunden wurde das Prinzip des Parabelflugs 1950 von den Brüden Fritz und Heinz Haber.

Ressort: Zisch-Texte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 02. Juli 2021: PDF-Version herunterladen

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