"Es war total laut"
Jonny Reichenbach und Jürgen Schübelin berichten vom Erdbeben in Chile.
Jürgen Schübelin: Ich war neun Tage in Chile, die meiste Zeit im Zentrum des Erdbebens, in Concepción. Das Erdbeben habe ich nicht erlebt, aber ich kam schon 48 Stunden später in Chile an. Vieles ist zerstört, Straßen, Brücken und Häuser. Viele Menschen sind gestorben. Seit man Erdbeben misst, gab es nur vier Beben auf der ganzen Welt, die stärker waren als das in Chile.
Ich war mit einem Ärzteteam unterwegs für die Kindernothilfe. Wir machen in Chile Projekte mit Kindern, zum Beispiel bauen wir Kindertagesstätten und betreuen etwa 3000 Kinder. Leider sind zwei unserer Kinder gestorben. Nicht beim Erdbeben, aber danach bei der großen Tsunamiwelle.
Nach dem Erdbeben passierten viele Plünderungen und Diebstähle. Es gab viel Gewalt, Banden mit Waffen haben Menschen das weggenommen, was sie aus den Häusern gerettet hatten. Supermärkte wurden aufgebrochen. Deshalb gibt es eine Ausgangssperre. Von 18 Uhr bis 12 Uhr am nächsten Tag wird jeder, der auf der Straße unterwegs ist, von Soldaten festgenommen – auch Kinder. Überall fahren Panzer. Man hat das Gefühl, mitten im Krieg gelandet zu sein. Vor allem die Kinder haben Angst. Auch, weil die Erde immer wieder bebt. Es gab schon 14 Nachbeben. Eine Nacht haben wir im Keller eines Krankenhauses geschlafen. Auch ich habe einen Schreck bekommen, als plötzlich das Krankenhaus über uns bebte. Zum Glück ist nichts passiert.
Mir tut besonders leid, dass sich viele Erwachsene so wenig um die Kinder kümmern. Sie sind überfordert, schreien Kinder oft an. Das ist schlimm. In unseren Projekten finden darum Angebote für Kinder statt. Weil die Häuser zerstört sind, wird auf Straßen und Plätzen gespielt und gesungen. Die Kinder malen auch, was sie erlebt haben. So können sie besser damit leben. Wir Erwachsene nennen das Trauma-Arbeit. Wir hoffen, dass wir so den Kindern helfen.
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