Account/Login

Vegetarismus

Fleischkonzerne wollen mit Fleischersatz Umsatz machen

Philipp Peters
  • Mo, 09. Mai 2016, 00:00 Uhr
    Wirtschaft

Fleischkonzerne wie Meica, Rügenwalder, und Wiesenhof haben die Vegetarier als Zielgruppe entdeckt. Im Kühlwarenregal liegen jetzt auch Aufschnitt, Hack oder Frikadellen ganz ohne Fleisch.

Tofu wird aus Soja hergestellt.  | Foto: Uwe Zucchi
Tofu wird aus Soja hergestellt. Foto: Uwe Zucchi
Die großen deutschen Fleischkonzerne haben die Vorliebe der Bundesbürger für vegetarische Kost entdeckt. Firmen wie Meica, Rügenwalder, Wiesenhof oder Ponnath sind mit ihren fleischlosen Frikadellen, Aufschnitt-Sorten oder fleischlosem Hack in den Supermarktregalen vertreten. Zum Leidwesen der echten Vegetarier unter den Herstellern.

"Für uns kleine Hersteller ist es eine bedrohliche Entwicklung." Max Breisacher, Max Tofu
"Tofu muss schmecken", sagt Max Breisacher. 25 Jahre lang hat der gelernte Metzgermeister eine eigene Fleischerei geführt. 50 Mitarbeiter hatte er. Dann tauschte er Schweine und Rinder gegen Sojabohnen. Heute ist er als Unternehmer die treibende Kraft hinter der Biomarke Max Tofu, die es in südbadischen Supermärkten zu kaufen gibt. In einer schmucklosen Halle in Emmendingen hat er seine Produktion aufgebaut.

Hier stellt er Tofu-Geschnetzeltes her, fleischlose Lyoner und seit kurzem sogar veganen Brotaufstrich auf Tofubasis. "Für uns kleine Hersteller ist es eine bedrohliche Entwicklung", sagt Breisacher über den Hunger der Fleischkonzerne auf vegetarische Kost. Ein Verdrängungswettbewerb am Supermarktregal finde definitiv statt. "Das ist so", sagt er. "Die Kleinen haben den Markt bereitet, die Großen sahnen ab."

Die Deutschen kaufen immer mehr vegetarische und vegane Produkte

Laut dem Institut für Handelsforschung aus Köln ist der Umsatz mit vegetarischen und veganen Produkten in Deutschland im vergangenen Jahr um ein Viertel gestiegen – auf 454 Millionen Euro. Der niedersächsische Fleischkonzern Rügenwalder Mühle war einer der ersten Großen, der Ende 2014 in die Offensive ging, sogar mit Fernsehwerbung. Mittlerweile ist die fleischlose Linie der Wachstumsmotor des Unternehmens, das nicht im pommerschen Rügenwalde zu Hause ist, sondern in Bad Zwischenahn bei Oldenburg. 2015 ist Rügenwalder um 17 Prozent auf einen Umsatz von 205 Millionen Euro gewachsen. Die vegetarischen Produkte steuern 20 Prozent des Umsatzes bei – mehr als 40 Millionen Euro.

Damit sind die Niedersachsen mit ihrer vegetarischen Linie aus dem Stand umsatzstärker als der südbadische Branchenprimus. Die Freiburger Life Food erlöst mit 230 Mitarbeitern einen Umsatz von 30 Millionen Euro. Das 1985 gegründete Unternehmen ist mit seinen beiden Marken Taifun und Tukan in Biomärkten und im Einzelhandel vertreten. Auch die Freiburger spüren die Lust der Menschen auf Fleischloses, nehmen die Konkurrenz aber sportlich. "Jetzt haben sich eben die Fleischkonzerne darauf gestürzt", sagt Firmensprecherin Lina Cuypers.

Taifun-Tofu liegt in Edekas Kühltheken

Life Food ist im Naturkosthandel groß geworden. Nur dort gibt es auch heute die Marke Taifun zu kaufen. Tukan ist das Label für den Supermarkt. Allein 600 Edeka-Märkte im Südwesten führen Freiburger Tofu im Sortiment. Das bringe nur knapp 20 Prozent des Umsatzes, heißt es bei Life Food. Sprecherin Cuypers ist sicher, dass es Produkte von Rügenwalder, Gutfried oder Wiesenhof in Naturkost- oder Bioläden nicht geben wird. Dann bliebe das Kerngeschäft von Life Food von der neuen Konkurrenz verschont.

Aber: Wer sich vegetarisch ernähren will, muss längst nicht mehr in den Spezialhandel gehen. "Das ist schon eine große Veränderung", räumt Cuypers ein. Sie setzt jedoch auf die treuen Verbraucher, die Vegetarisches vom Fleischkonzern sehr wohl von vegetarisch aus Überzeugung unterscheiden könnten.

Mit der romantischen Hinterhof-Manufaktur eines Max Breisacher hat Life Food wenig gemein. Die Freiburger haben zuletzt 20 Millionen Euro in die neue Produktionsanlage investiert, die Ende 2015 angelaufen ist. Heute werden jede Woche 100 Tonnen Tofu zu einer halben Million fertig verpackter Produkte verarbeitet.

Kleine Hersteller können durch Regionalität beim Verbraucher punkten

Dass die bekannten Fleisch- und Wurstmarken mit ihren vegetarischen Angeboten in die Regale drängen, räumt auch die Handelskette Edeka ein. "Große, nationale Anbieter spielen aufgrund ihrer Bekanntheit und Werbestärke natürlich eine Rolle", sagt Christhard Deutscher von Edeka Südwest in Offenburg. Die Kaufleute vor Ort, die Märkte in Eigenregie führen, hätten aber Möglichkeiten, die Wünsche ihrer Kunden zu berücksichtigen.

Dieter Hieber ist so ein Händler. In zweiter Generation führt er zwölf Supermärkte zwischen Dreiländereck und Markgräflerland. Sie werden vom blauen Edeka-E geschmückt, doch darüber steht der Name Hieber. Vater Jörg, zeitweise Aufsichtsratschef von Edeka, hat im Einzelhandel seine eigene Marke aufgebaut, die vieles anders macht als die Kette, mit der er groß wurde. "Über Regionalität kann man punkten", sagt Dieter Hieber.

Wie viel Platz er den lokalen Herstellern im Vergleich zu den Fleischkonzernen einräumt, verrät er nicht. Er hat jedoch gelernt: Wer fleischlos anbieten will, muss glaubhaft sein. Deshalb habe man speziell nach Verkäufern gesucht, die sich vegan ernähren. Sie betreuen etwa im Markt in Lörrach die vegane Abteilung. Vegetarische und vegane Ernährung sei bei vielen Kundinnen und Kunden innere Überzeugung, weiß Dieter Hieber. "Wenn ein Fleischkonzern das macht, finde ich das auch wenig glaubhaft."

Mehr zum Thema:

Ressort: Wirtschaft

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mo, 09. Mai 2016: PDF-Version herunterladen

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel