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Gericht kippt Ausgangssperre

Jens Schmitz

Von

Di, 09. Februar 2021

Südwest

Pandemiegeschehen ist anders als noch im Dezember "regional erheblich differenzierter" / Opposition fühlt sich bestätigt .

. Die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen in Baden-Württemberg gelten in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag zum letzten Mal. Das hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) des Landes am Montag beschlossen. Regionale Ausgangsbeschränkungen bleiben aber möglich.

Die Mannheimer Richter gaben damit dem Eilantrag einer Tübingerin statt; die Entscheidung ist unanfechtbar. Die meisten Bundesländer haben bislang keine nächtlichen Ausgangsbeschränkungen. In Baden-Württemberg gelten mit einer Sperre zwischen 20 und 5 Uhr die strengsten.

Die Landesregierung habe aber zuletzt den Vorgaben des Bundesinfektionsschutzgesetzes nicht mehr entsprochen, hieß es einer Pressemitteilung des VGH. Demnach seien Ausgangsbeschränkungen nur möglich, "soweit auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen eine wirksame Eindämmung der Verbreitung von Covid-19 erheblich gefährdet wäre". Überdies habe die Regierung eingehend zu prüfen, ob die Beschränkung landesweit gelten müsse oder differenziertere Regeln in Betracht kämen. Das Infektionsschutzgesetz sehe grundsätzlich ein gestuftes, am regionalen Geschehen orientiertes Vorgehen vor (Az. 1 S 321/21).

Die Regierung hatte die Ausgangsbeschränkungen zum 12. Dezember 2020 in Kraft gesetzt und unter anderem mit hohen Inzidenzwerten begründet. Zuvor hatte die 7-Tage-Inzidenz in allen 44 Landkreisen deutlich über 50 gelegen, in 15 Kreisen sogar über 200.

Anders als Ende Dezember und Mitte Januar, als ähnliche Eilanträge gescheitert waren, sei das Pandemiegeschehen inzwischen "regional erheblich differenzierter", so das Gericht. Inzwischen gibt es 18 Landkreise mit einer 7-Tage-Inzidenz unter 50. Das Land müsse zwar weiterhin "landesweit abgestimmte" Schutzmaßnahmen anstreben. Kommunale Ausgangsbeschränkungen blieben in Kreisen mit besonders hohen Inzidenzzahlen durchaus möglich. Die geltenden Kontaktvorgaben sind vom VGH-Beschluss nicht berührt.

Das Stuttgarter Staatsministerium gab sich am Montag gelassen. "Wir haben unsererseits schon die Überlegung angestellt, die landesweite Regelung außer Kraft zu setzen und dafür eine inzidenzbasierte regionale Regelung für eine nächtliche Ausgangssperre zu treffen", hieß es in einer Pressemitteilung. Geplant gewesen sei, die landesweite Beschränkung mit dem Auslaufen der aktuellen Corona-Verordnung zum 15. Februar aufzuheben.

"Seit etwa einer Woche verzeichnen wir bei uns die niedrigste Inzidenz aller Länder – ein erfreuliches Resultat", bilanzierte das Staatsministerium. Sozialminister Manfred Lucha betonte gegenüber der BZ: "Im Land haben vor allem die Ausgangsbeschränkungen geholfen, die Inzidenz zu drücken. Im Privatbereich gab es (...) viele Nachlässigkeiten, und da waren die Ausgangsbeschränkungen ein gutes Mittel, um dagegen anzugehen."

Die Opposition fühlte sich vom VGH bestätigt. "Wir haben das als Fraktion bereits erfolglos im Landtag beantragt, nun hat ein Gericht entschieden", sagte der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Hans-Ulrich Rülke. Der Rechtsexperte der SPD-Fraktion, Boris Weirauch, warf Gesundheitsminister Lucha (Grüne) handwerkliche Fehler vor. Grundrechtseinschränkungen müssten gerichtsfest begründet sein, sonst seien sie Wasser auf die Mühlen von Populisten. AfD-Fraktionschef Bernd Gögel sagte, die VGH-Entscheidung stimme ihn hoffnungsvoll. Man werde aber keinen Corona-Wahlkampf führen.

Ressort: Südwest

  • Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der BZ vom Di, 09. Februar 2021:
  • Zeitungsartikel im Zeitungslayout: PDF-Version herunterladen

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