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Schönheitswettbewerb

Gina Rühl tritt mit Armprothese bei Miss-Germany-Wahl an

  • Jonas-Erik Schmidt (dpa)

  • Di, 18. Januar 2022, 21:25 Uhr
    Panorama

Auf Instagram lässt die Studentin Gina Rühl Zehntausende an ihrem Leben teilhaben, zu dem seit einem Unfall auch eine Armprothese gehört. Nun will sie Miss Germany werden.

Gina Rühl  | Foto: Henning Kaiser (dpa)
Gina Rühl Foto: Henning Kaiser (dpa)
Auf Instagram lässt die Studentin Gina Rühl Zehntausende Menschen an ihrem Leben teilhaben, zu dem seit einem Unfall auch eine Armprothese gehört. Nun will sie Miss Germany werden. Es geht auch um den Versuch, jahrzehntelang zementierte Schönheitsbilder zu verändern.

Bei einem Winterspaziergang durch Wuppertal bleibt Gina Rühl plötzlich stehen und hält inne. Sie betrachtet einen dicken Baum, der am Straßenrand steht. Es ist ein kalter, aber sonniger Tag, von weiter her hört man lachende Kinder auf einem Spielplatz. "Ja, das ist schon sehr akkurat", urteilt die 22-Jährige beim Betrachten des massiven Baumstamms, der nun einen Moment versinnbildlichen soll, der Rühls Leben schlagartig veränderte. "Ich war halt am Ende um so einen Baum gewickelt."

Gina Rühl hatte 2019 als Beifahrerin einen schweren Motorradunfall. Sie kennt das Datum, den 15. September 2019, noch ganz genau. Ihr Becken war beidseitig gebrochen, der rechte Unterschenkel komplett zertrümmert. Und sie verlor ihren linken Arm. Heute trägt sie eine Prothese. Und ist vielleicht bald Miss Germany.

Beim Schönheitswettbewerb hat ein Umdenken eingesetzt

Die Geschichte der Studentin aus Wuppertal ist eine, die man vor 20 oder 30 Jahren kaum hätte erzählen können. Was zu einem großen Teil an Rühl liegt – und zum anderen Teil daran, das in der einstigen Trutzburg gegen Sexismus-Vorwürfe, den Schönheitswettbewerben, ein Umdenken eingesetzt hat. Der Modus bei Miss Germany wurde in den vergangenen Jahren komplett umgekrempelt. Er sieht nun nicht mehr vor, dass sich junge Frauen vor einer überwiegend männlichen Jury präsentieren müssen, die dann anhand tradierter, äußerer Kriterien den Daumen hebt oder senkt. Nun soll es um Authentizität und Persönlichkeit gehen. Der Begriff Schönheit wird neu verhandelt.

Gina Rühl hat es so unter die Top 22 des aktuellen Miss-Germany-Jahrgangs geschafft, das Finale findet am 19. Februar in Rust statt. Die Bewerbung habe sie verfasst, als sie gesehen habe, dass es nun auch darum gehe, eine Botschaft zu vermitteln, sagt Rühl. Sie will zeigen, dass man auch nach einem Schicksalsschlag gut leben kann. Auf Instagram macht sie das bereits seit geraumer Zeit. Dort nennt sie sich "Die einarmige Prinzessin". Rühl postet Bilder von ihrem vernarbten Arm, von der Prothese, für die sie auch schon Glitzer-Handschuhe ausgesucht hat. Vor dem Spaziergang hat sie eine Story aus dem Auto hochgeladen. "Hello ihr Lieben, muss mein Knauf erstmal dranbauen", berichtet sie.

Gina Rühl will anderen Menschen helfen und Vorbild sein

Mittlerweile hat sie mehr als 50 000 Follower, bekommt viele Nachrichten. Sie merke, dass sie mit ihrem Account anderen helfen könne, sagt sie. "Der Unfall war nicht umsonst, wenn ich anderen damit etwas geben und als Vorbild dienen kann", sagt sie. Auch ihr selbst helfe das.

Rühls Ziel ist es, für mehr Sichtbarkeit zu sorgen. Werbung etwa, in der man auch mal eine Prothese sieht, gehört nicht zum deutschen Alltag. Einige Firmen seien schon vorangekommen, aber oft sei es auch "Diversity Washing". Was grob gesagt bedeutet, dass in der Werbung zwar nicht mehr nur Menschen nach Schema F gezeigt werden, sondern etwa unterschiedliche Körperformen – dass es den Firmen dabei aber mehr um eine gute Kampagne als um wahre Anerkennung von Vielfalt geht. Bei Miss Germany sieht Rühl diese Gefahr nach all ihrer Erfahrung mit den Machern nicht. "Die wollen mich. Denen geht’s nicht um die Prothese", sagt sie.

Groß ist das Interesse an ihrer Geschichte aber auch schon vor dem Finale. Rühl gibt viele Interviews. Letztens bei einem habe eine Frau zu ihr gesagt: "Ich habe zu wenige Hände, ich habe keinen Platz!", erzählt sie. "Da habe ich gesagt: Ja, kenn’ ich."

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mi, 19. Januar 2022: PDF-Version herunterladen

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