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Gemeinderatsbeschluss

Heilbronn will keine Zirkusse mehr mit Wildtieren

  • Roland Böhm (dpa)

  • Mo, 07. Dezember 2015
    Südwest

Elefanten, die auf Stühlen sitzen, und Tiger, die durch Reifen springen – Heilbronn will sowas nicht mehr sehen.

Der Zirkuselefant, der diesen Sommer w...ird in seiner neuen Heimat gefüttert.   | Foto: dpa
Der Zirkuselefant, der diesen Sommer während eines Ausbruchs einen Menschen tötete und daraufhin in einem Safaripark in Nordrhein-Westfalen untergebracht wurde, wird in seiner neuen Heimat gefüttert. Foto: dpa

STUTTGART. Der Gemeinderat in Heilbronn hat es gewagt. Von 2016 an dürfen Zirkusse mit Wildtieren nicht mehr in der Stadt auftreten. Tiger und Elefanten hätten im Zirkus nichts mehr zu suchen, wird Oberbürgermeister Harry Mergel (SPD) zitiert. Man reagiere auf einen Wertewandel. Zwei Drittel der Deutschen finden es laut einer Umfrage nicht gut, wenn Elefanten, Giraffen und Tiger in Zirkusbetrieben gehalten werden. Verbote wie in Heilbronn wurden andernorts aber auch schon von Gerichten gekippt – mit Verweis auf die Berufsfreiheit.

Beim Weihnachtscircus auf dem Wasen in Stuttgart treten Elefanten auf, für einen Zirkus in Waiblingen wird mit Löwen geworben. Und auch beim Weihnachtszirkus in Heilbronn darf es noch bis 2019 Raubtiernummern geben, aber nur weil die Verträge schon gemacht sind. Auch Tiere im Altbestand von Zirkussen sind von dem Verbot dort ausgenommen. Es sein ein Kompromiss, sagt OB Mergel.

Mit aller Regelmäßigkeit streiten Tierschützer und Zirkusse darum, ob Wildtiere aus reisenden Unternehmen verbannt werden müssen. Zuletzt sorgte im Sommer ein schlimmer Vorfall in Buchen im Odenwald für Debatten: Ein Elefant war aus einem Zirkus ausgerissen und hatte einen Spaziergänger getötet. Wie die Bundestierärztekammer forderte auch der Bundesrat zuletzt 2011 ein Verbot von Großaffen, Elefanten, Bären, Giraffen, Nashörnern und Flusspferden in der Manege. Die große Koalition in Berlin ging darauf aber bisher nicht ein – auch mit Verweis auf die Berufsfreiheit.

Verbote von Wildtieren sind rechtlich schwierig

"Es ist nicht notwendig, alles zu verbieten", sagt Baden-Württembergs Tierschutzbeauftragte Cornelie Jäger. Heißt: Pferde ließen sich vernünftig halten, Giraffen aber eben nicht. "Das kann nicht gehen." Genauso unrealistisch sei es, zu behaupten, man könne als Zirkus Flusspferde angemessen halten. Überdies gefalle sowas den Zuschauern gar nicht mehr. Vielen seien "regelrecht beschämt", so Jäger. Zirkusse mit Wildtieren seien ein "überholtes Zeitphänomen".

Tipps, die Jäger den Kommunen an die Hand gab, um Zirkussen mit Elefanten oder Giraffen den Zugang zu den Festplätzen zu verwehren, hatten 2013 für Protest der Zirkusse gesorgt. Einen regelrechten "Boykottaufruf" an die Kommunen sieht etwa der Berufsverband der Tierlehrer hinter dem Jäger-Papier. Laut Verband gibt es in deutschen Zirkussen noch zwei Giraffen, zwei Nashörner, zwei Nilpferde und rund 40 Elefanten.

Das Wildtierverbot für Zirkusse in Heilbronn sei "wissenschaftlich nicht begründbar", heißt es beim Aktionsbündnis "Tiere gehören zum Circus". Diverse Wissenschaftler hielten eine tiergerechte Haltung von Wildtieren im Zirkus durchaus für möglich. Das Training in der Manege fördere deren körperliche und geistige Fitness.

Der Städte- und der Gemeindetag wollen im Frühjahr entscheiden, ob sie sich den Jäger-Tipps anschließen. "Die Tendenz geht dahin", sagt Gerhard Mauch, Dezernent beim Städtetag Baden-Württemberg. Geklärt werden müssten jedoch noch Fragen etwa zum Kontrollaufwand. Eine nicht verbindliche Empfehlung sei wohl das Wahrscheinlichste.

Die Bewegungsarmut der Tierarten, die in freier Wildbahn weite Strecken zurücklegen, ist Tierschützern ein besonderer Dorn im Auge. Viele Elefanten würden über Nacht angekettet, damit sie nicht ausbrechen könnten. Einem Auftritt von Zirkussen mit exotischen Wildtieren stehen deswegen viele Kommunen sehr skeptisch gegenüber. Doch Verbote sind rechtlich schwierig. Anders als etwa in Österreich sind in Deutschland Wildtiere wie Affen, Tiger und Bären in Zirkussen nicht gesetzlich untersagt. Wenn Kommunen versuchen, Zirkusauftritte wegen der mitgeführten Wildtiere zu verhindern, kann es daher passieren, dass sich die Verwaltungsgerichte querstellen.

2013 etwa gab das Verwaltungsgericht Darmstadt dem Zirkus Krone Recht, der einen Eilantrag gegen ein Auftrittsverbot in der hessischen Stadt gestellt hatte. Die Stadtverordnetenversammlung hatte zuvor beschlossen, dass in Darmstadt nur noch Veranstalter ohne Wildtiere auftreten dürften. Die Beschränkung sei "ein unzulässiger Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit", erklärte das Gericht.

Erding in Bayern hingegen konnte sich in einem ähnlichen Rechtsstreit durchsetzen. Das Verwaltungsgericht München entschied im Sommer 2014, dass die Stadt den Auftritt eines Zirkusses mit Großwildtieren zu Recht ablehnen durfte. Die Gemeinde sei "frei darin, was sie haben will und was nicht", sagte die Richterin in der mündlichen Verhandlung.

Ressort: Südwest

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mo, 07. Dezember 2015: PDF-Version herunterladen

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